Brunos rauchiger Bariton schallte durchs Badezimmer: „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest – “ als ein scharfer Wasserstrahl sein Schuh-Boot kentern ließ.
„Ik hevv mol’n Hambörger Veermaster seh’n“ brüllte Koksi munter, während er den Brauseschlauch weiter stramm auf Kapitän Bruno richtete. Der krallte sich prustend mit einer Tatze am sinkenden Schuh-Boot fest, während er die andere Tatze wütend aufs Wasser peitschte. Mühsam kämpfte er sich zum Wasserhahn vor und reckte sich der Armatur entgegen. Mit einem Patsch! pfefferte er den Hebel von „Dusche“ auf „Wanne“ und der abrupt abreißende Wasserstrahl schleuderte Koksi gegen den Fliesenspiegel.
„Treffer versenkt!“ krähte er dem Eisbären hinterher, der mit quietschenden Pfötchen an der glatten Wand herunterschlitterte.
Sybille riß die Tür zum Badezimmer auf: „Was zum Kuckuck – ?“ als ein kleines Stück Seife neben ihrem Ohr vorbeiflog.
Koksi hielt sich erschrocken die Pfoten vor die Schnauze.
„Ups“, flüsterte Bruno und tauchte halbwegs lautlos hinter dem Schuh-Boot unter. Mit kräftigen Zügen verschwand er unter einem Berg aus Badeschaum. Koksi hielt sich die Nase zu und sprang, um ihm mit einem Köpper zu folgen.
Drei Sekunden nachdem Sybille die Tür zu Chaos und Verwüstung aufgerissen hatte, bot sich ihr nur noch der Anblick einer harmlosen, mit Schaumbad gefüllten Badewanne, in der einfach nur einer ihrer sauteuren Chelseaboots absoff.
Mit spitzen Fingern griff sie nach der nassen Schlaufe am Schaft, drehte den Schuh, um das Wasser ablaufen zu lassen und seufzte kurz, als zuletzt noch ein trauriger Klumpen Wolle heraus rutschte und ins Wasser fiel. Sie griff danach und drückte das Wasser vorsichtig heraus.
„Es gibt Apfelkuchen“ murmelte sie müde und verließ dieses … Gebiet.
Eins.
Zwei.
Drei.
Der Schaumberg explodierte, zwei triefnasse Teddies ausspuckend, die im Fluge weiter beschleunigten.
„Erster!“ schrie Koksi und drückte dem neben ihm durch die Tür rennenden Bruno seine Krallen ins Gesicht. Bruno stellte ihm ein Bein und irgendwie schafften sie es, als laut johlendes Knäuel durch den Flur bis ins Wohnzimmer zu kugeln.
Später, nachdem Sybille die unerwartet friedlich nebeneinander schnarchenden Freunde zugedeckt hatte, fragte sie Henk: „Sag mal, was war eigentlich los mit diesen Irren?“
Henk nahm sich sein viertes Stück Apfelkuchen. „Ist noch Sahne da?“ Sybille reichte ihm das Schälchen.
„Also, es sind… nun, wie soll ich sagen… ach herrjeh, der Fußgeruch und so. Gib nochmal die Sahne.“
„Henk, bitte, was … Fußgeruch?“

Der braune Kampfbär schnippte sich ein Apfelstückchen in die Schnauze. „Bruno hat sich Wolle um die Füße gewickelt, damit seine neuen feinen Schuhe nicht so drücken und Blasen verursachen. Und dann roch die Wolle schlimm. Ziemlich schlimm sogar, wenn ich mich recht erinnere.“ Henk lud sich noch ein Stück auf den Teller.
„Ja Henk. Aber ich fand ihn in meinem Schuh, mit meiner Schuhwolle, also was?“
Henk machte sich auf den Weg zur Kuchenplatte um sie zu entern, aber Sybille hob ihn am T-shirt hoch und starrte ihm in die braunen sanften Augen.
„Henk!“
„Du, also deine eigene Sockenwolle, nun ja, also – Bruno dachte sich, dass er zunächst einmal deine Schuhwolle behandelt, als Test, und erst dann seine eigene … nun ja. Lässt du mich bald mal wieder runter? Das ist ziemlich respektlos, wenn ich das mal bemerken darf.“
Sybille setzte Henk vorsichtig auf dem Kuchenteller ab.
„Danke“, sagte Henk und rammte seinen Löffel beherzt in den dort verbliebenen Kuchen.
Sybille ging in den Flur, schaute ins Schuhregal und nahm sich den verbliebenen Chelsea. Sie schnupperte und unterdrückte ein Naserümpfen. Sie zog die Wolle aus dem Schuh. Dann ging sie in die Küche.
In einem Wasserkocher erhitzte sie zwei Liter Wasser. Das kochende Wasser goß sie zur Hälfte in eine Glasschale, gab ein Schnapsglas Purux Swiss Turbo 2 Liquid dazu und ließ die Schuhwolle hineingleiten. Zehn Minuten später angelte sie mit einer Gabel nach der Wolle, zog sie aus dem Bad und tauschte das Purux-Wasser durch das verbliebene heiße Wasser aus, in das sie die gereinigte Wolle nun legte. Darin blieb die Wolle, bis sich das Wasser abgekühlt hatte. Nun konnte Sybille die Schuhwolle mit bloßen Händen aus dem Wasser nehmen, spülte mit gleich temperiertem Wasser nach und legte die dann ausgedrückte Schuhwolle zum Trocknen auf ein Kuchengitter.


Wolle so heiß wie gewünscht waschen und in Ruhe abkühlen lassen – nicht wuscheln, sonst filzt sie, weil sich die Fasern dann verhaken. Schleudern nur in eine Richtung, zum Beispiel in einer Salatschleuder oder in einer alten stand-alone-Schleuder. Schnell starten, schnell stoppen – das vermeidet Filzen.
Und Obacht: Wolle verträgt keine Lauge, also Shampoo, Seife oder anderes Zeugs. Lieber Säure wie Essig oder Zitronensäure zur Reinigung verwenden, oder den guten alten Neutralreiniger.
„Warum hast du nicht Bescheid gesagt, dass du Wolle wäschst?“, fragte Koksi, der just die Küche betreten hatte, und rieb sich verschlafen die Augen, „ich wär doch gekommen, wegen der Schleuder. Menno.“
Sybille hob das weiße Bärchen hoch und setzte ihn neben das Kuchengitter mit der feuchten Wolle.
„Heute kein Höllenritt in der Schleuder, mein Freund. Dazu war es zu wenig Wolle. Und zu den anderen Sachen in die Waschmaschine darf sie ja nicht, wie du weißt.“
Koksi kratzte sich an der Nase. „Was war noch gleich der Grund?“
Koala Vera seilte sich von der Abzugshaube auf die Arbeitsplatte ab: „Koksi, du wärst ganz traurig. Weil in der Waschmaschine in verschiedene Richtungen geschleudert wird. Weil in der Waschmaschine heiß-kalt-heiß-kalt Wasser gespült wird. Weil der Wollwaschgang nur bis 40 Grad geht, aber manche die Wolle kochen müssen. Weil – oh, sind das Zimtstangen?“ Der große graue Teddy ließ die Süßigkeit zwischen den Zähnen krachen.
„Isjagutisjagutisjagut.“ Koksi hielt die offene Pfote hin und bekam einen Splitter von der Zimtstange ab.
Henk trat dazu: „Sind die Proben für Manuel und Muhamed fertig?“, fragte er. Sybille deutete auf die Küchenstühle. „Karte ist drin, musst du nur noch zukleben und adressieren.

26. April 2021 at 10:44
coole, wollige Sache, bleib bitte an den Kinderbüchern dran – die Augen werden vergnügt feucht vor Schmunzeln
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27. April 2021 at 21:37
Lieber Matthias,
wir wollen ja, wirklich, aber Sybille sagt so oft Sachen wie „Gefährdung der Menschheit“, „grundständiger Wahnsinn“ oder „gib das sofort wieder her, du Irrer!“, dass uns etwas der Mut verlassen hat.
Danke Dir daher für Deine Worte!
Dein Bruno
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