„Und wie kriegen wir Koksi da wieder raus?“ Teddyz kratzte sich am Kinn, während Bruno genervt mit den Krallen auf dem Führungsbaum trommelte. Der V-Loom hatte Koksi gefressen. Zumindest halb: er schaute ja noch mit dem Kopf raus. Vom Hals abwärts steckte er im Webstück.
„Mir ist langweilig. Ich hab Hunger. Außerdem wird es langsam ungemütlich“, klagte der kleine Eisbär. Neben seiner Schnauze baumelte ein ausgefranstes Ende Kettfaden. Er hatte zunächst nach Bären-Art versucht, sich frei zu knabbern, aber nun fiel ihm

dauernd dieses fusselige Fadenende ins Gesicht oder kitzelte ihn an der Nase. Während des allgemeinen Schweigens, in dem jedes auf seine Weise an der Lösung des Problems grübelte, blieb Koksi ganz bei sich: mit genau dosiertem Atemhauch pustete er den Fadenrest nach links oder rechts, steuerte den Auftrieb mehr oder minder unter Zuschaltung der enormen Eisbär-Nase, als Vera die Tür aufriss, mit einem Notizzettel wedelte und: „Wir Haben Einen Auftrag! Eine Baby-Decke!“ schrie. Die Bärchen – außer Koksi – liessen alles stehen und liegen, fassten sich an den Pfoten und tanzten Ringelreihen. Dazu sangen sie ein lustiges Lied von ihrer Schallplatte „Schafpiraten – Alle sind froh“ – auch jetzt alle außer Koksi, der mit Husten, Würgen und Spucken sein Möglichstes gab, um das vor Schreck soeben verschluckte Fadenende wieder los zu werden. Henk bemerkte das irgendwann, und während Bruno, Vera und Teddyz Meter und Gramm berechneten, zupfte er mit einer lässigen Bewegung den nassen Knebel aus Koksis Schnauze.
„Mæmblblkrø!“ keuchte Koksi. Henk, dem nordische Flüche unbekannt waren, wandte sich wieder seinem Taschenrechner zu: „Bärchen“, begann er, „wir müssen die Babydecke scharf kalkulieren. Sonst hat Sybille nachher wieder weniger als vorher auf dem Konto, so wie letztes Mal. Und dann ist Essig mit Nachtisch und Kuchen.“
Vera hob eine Kralle: „Das lag daran, dass wir Industrie-Kammzüge benutzt hatten. Das sind die Dinger, die jetzt alle SpinnerInnen verwenden, weil die so glatt durch die Hände flutschen. Aber eben weil sie so glatt sind, sind sie ja nicht so fluffig und bauschig wie unsere eigenen Kammzüge. Und daher haben wir sehr viel mehr Wolle verbraucht.“
„Aber du hattest gesagt, dass es länger dauert, weil wir die eigenen Kammzüge immer erst von einem Vlies abtrennen müssen“, warf Bruno ein.
Vera nickte: „Dann müssen wir irgendwie schneller werden. Und außerdem machen wir noch einen Versuch mit Roh-Wolle, die wir zuerst weben, und danach erst waschen.“
Teddyz deutete auf Koksi, der sich nach all dem Stress einem Nickerchen hingab: „Dann machen wir aus dem begonnenen gewebten Stück ein Manager-Kissen? Also, nachdem wir Koksi aus der Takelage operiert haben.“
Henk wandte den Kopf und deutete zum Manager-Schlachthof: „Haben wir noch einen Manager aus Seide?“
Bruno hopste vom Trockendock, umrundete das neue-alte Spinnrad aus dem Jahre 1847, das ihm Enno Sembritzki überlassen hatte, und betrat entschlossen das Lager.

Er erklomm das Anzugdeck, balancierte mit leichter Tatze über die Kleiderstange, hockte sich rittlings darauf und schob einen Anzug nach dem anderen an sich vorbei. „Brioni ist aus!“, krähte er zu den Anderen im Dock.
„Noch ein BOSS da? Immerhin hat der prächtige Koksi da drin etwas von seinem Dasein gefristet!“
Bruno angelte sich ein verdächtiges Stück Stoff: „Schurwolle/Seide-Gemisch!“
„Hol’s grad her, Bruno, spring!“, bat Teddyz in einem Anflug von Süddeutsch.

Nach einer Weile hatten sie den Manager zerlegt. Mit viel Gefummel und Geziehe und Gezeter bekamen sie Koksi aus seinem ungewollten Ankerplatz und hatten nun eine schöne Füllung für das Manager-Kissen. Wie üblich versteckte Bruno noch eine kleine Notiz in der Innentasche. Vera hielt es für eine gute Idee, das Kissen in freier Wildbahn zu fotografieren.

Sozusagen vom Manager die Rippchen. Man darf das nicht so ernst nehmen.

„Was denn nun? Wer vernäht das Kissen, und wer webt die Decke?“ Bruno wurde etwas unruhig. Der Auftrag war schon eine halbe Stunde her.
„Wer ist der Einzige, der den V-Loom bedienen kann?“, rief Koksi von seiner neuen Position auf dem Backbord-und-Heck-Mast.
Bruno sprang aus dem Lagerregal: „Ich komme!“

„Ich weiß jetzt, wie wir Zeit sparen können. Schau mal“, rief Vera Bruno zu, als der die neue Takelage aufzog. Sie zog einen 90cm langen Kammzug hinter sich her und machte sich daran, damit den V-Loom zu erklimmen: „Den und neunzehn weitere werden wir als Kettfäden einsetzen.“
„Aber die Kammzüge reißen doch dabei“, murmelte Burno vorsichtig – ein direktes Widersprechen hatte bei Vera schon zu viel Gelächter geführt (auf seine Kosten).
Die Koala grinste und entblößte dabei spitze Zähnchen: „Nur in dem Fall, wenn du versäumst, sie durch einen mitlaufenden Kettfaden wie jenen hier zu sichern.“ Ein Ploing! erklang, als sie einen der bereits gespannten Kettfäden wie eine Gitarrensaite anschlug.
„Wir müssten zunächst die Haken dafür ausrüsten. Henk muss uns ein paar Adapter schweißen, und dann ziehen wir das hiiiiier soooooo durch. Oder?“
Vera nickte. „Nein.“
„Oh.“
„Henk hat sich Sybilles Kreditkarte geschnappt und etwas zum Zusammenbauen bestellt.“
„Oh! Ich dachte, die Karte funktioniert nicht mehr.“ Bruno schubberte sich am Führungsbaum.
„Es gibt eine neue.“
„Oh gut.“

Tags drauf klingelte der Postbote an der Tür.
„Es ist ein anderer Postbote als Dirk!“, warnte Henk und winkte mit der Pfote nach Vera: „Vera, komm, tu so als wärst du Sybille und kannst die Tür nicht öffnen. Denk dir was aus, schnell!“


Die Koala trollte sich zur Tür und brüllte: „Ich hab Corona! Doppelt! Kommen Sie nicht näher! Stellen Sie das Paket ab und verschwinden Sie, solange Sie noch können!“
Teddyz legte die Pfoten über seine Augen: „Vera, wenn das Dirks Nachfolger ist, kriegen wir nie wieder Post.“
Nachdem der Postwagen in einer Staubwolke vom Hof geknattert war, schob Bruno das Paket in die Werkstatt.
„Hier an die Haken müssen jetzt die Schlaufen dran, und dann der Kammzug so durch“, präsentierte er die Idee. Henk nickte und sie machten sich an die Arbeit.

„Himmelherrbärchen, das ist das Fluffigste was mir je unter die Pfoten gekommen ist!“ schwärmte Vera. Koksi rollte sich der Länge nach in eines der Stücke und sah aus wie ein munter schwatzendes Hot Dog.
Bruno war stolz. Henk rechnete am Verkaufspreis herum. Und Teddyz … diskutierte mit Sybille im Büro den Anruf eines verstörten Post-Angestellten, dem böse Gerüchte über ein Corona-Haus zu Ohren gekommen waren.
„Und wo meine Kreditkarte ist“, ergänzte Sybille. Teddyz zuckte mit den Schultern: „Ich vermute Bruno hat sie. Halt, nein: Koksi hat sie vorhin noch verwendet um Mehl damit zu hacken und in eine Linie zu streichen, für seinen KoK$i-Account bei Instagram.“
„Mit meiner Kreditkarte simuliert er illegales Verhalten?“
„Äh, ja.“
„Die Karte mit meinem Namen drauf und allen Ziffern – und wahrscheinlich der Vollständigkeit halber auch noch von der Rückseite?“
Teddyz kratzte sich am Kinn: „Nee, ich meine, das hatte Henk ihm verboten. Weil sonst jemand unser Konto leeräumt.“