„Warum suchst du nach Flügen nach Frankreich?“ Eisbär Koksi nahm neben Bruno auf dem Computer Platz und ließ eine Erdnuss zwischen den Zähnen krachen.
„Henk möchte Camembert, und man soll doch jetzt regional einkaufen“, erklärte Bruno. Er klickte sich von Angebot zu Angebot. Dann versperrte ihm Koksis Arm die Sicht.
„Hier, schau doch mal! 26 Euro, hin und zurück. Soll ich Sybilles Kreditkarte holen?“, bot der kleine Eisbär an. Bruno dukte sich unter dem Arm hindurch um den Eintrag ebenfalls lesen zu können. Er nickte.
„Ja, aber hol die alte grüne Karte. Für die Blaue haben wir das Passwort noch nicht geknackt.“ Koksi tat wie ihm geheißen und hopste vom Sofa, um nach Sybilles Handtasche zu suchen.
Leises Klicken der Tastatur begleitete den Zahlvorgang. Bruno fuhr ein Schrecken durch alle Glieder, als Vera ihm plötzlich in die Seite stupste: „Kathmandu für 600 Euro? Das ist günstig!“
Bruno verzog die pelzige Schnauze: „Bestimmt ein Sonderpreis für Leute, die dort schon Levitation (Kurs B) absolviert haben – sie sparen schwebend Kerosin.“
Vera kraulte sich am Kinn. „Warum wollen sie denn alle dahin?“
Bruno wandte sich ihr zu: „Sie fliegen um die halbe Welt, um unter den großen Meistern zu lernen, wie sie sich und die Welt heilen können.“
„Die Welt heilen, aha. Dafür verballern sie tonnenweise CO2, und latschen glücklich durch bislang unberührte Natur?“
„Mhm…“ Eine Laus machte sich bereit und ging in ihre Startposition.
„Um dann von Mönchen, die seit Jahrzehnten an sich arbeiten, zu lernen, wie sie im 2-Wochen-Workshop ihr eigenes Karma pimpen können?“
Die Laus startete durch, schnappte sich einige Erinnerungen von Bruno und enterte seine Leber. Bruno dachte an den Buben von nebenan, dem man versprochen hatte, er müsse nur oft genug für seine Mama beten, und dann war trotzdem alles ganz furchtbar geworden.
„Ja, Vera, was für kluge kleine Mönche. Menschen sind so… hohl. Und wenn was in die Hose geht, müssen wir wieder herhalten“, grunzte Bruno, nahm sich eine Schokobohne und –
„Hab sie!“, brüllte Koksi ihm stolz ins Ohr. Bruno fuhr zusammen. Dann riß er die Augen weit auf und hustete, die Pfoten am Hals. „Ngäh!“ keuchte der kleine Braunbär und deutete hektisch auf seine Kehle.
Vera schepperte ihm einen linken Haken aufs Brustbein. Die Schokobohne flog in weitem Bogen über den Monitor des Computers und sauste in wundersamer Fügung durch die geöffnete Wohnzimmertür in den Flur.
„…aua! Wer war – oh, eine Schokobohne. Ih, die ist ja schon angekaut, bäh.“
Henk trat ins Wohnzimmer, die Schokobohne in der Pfote lässig mit dem Daumen in den Papierkorb schnipsend.
„Henk, es gibt keinen Camembert!“, rief Bruno.
„Was für einen Camembert?“, fragte Henk. Bruno kräuselte die Stirn: „Du hast gesagt, dass du Camembert zu Teddyz‘ Geburtstag möchtest.“
„Den Kamm-Bär. Ich sagte es wäre schön, wenn wir den Kamm-Bär zu Teddyz ihm seinen Geburtstag haben. Weil wir alle ziemlich strubbeliges Fell haben.“
Geistesgegenwärtig riss Bruno die grüne Kreditkarte aus dem Lesegerät und brach die Buchung ab.
„Du kannst die Karte wieder rein schieben – ich könnte dann ja mal nach Schweden fliegen, um für alle Surströmming zu kaufen. Den gibt`s auch nur regional“, erklärte Koksi.
Henk, Bruno und Vera starrten zu Boden. Sie hätten den kleinen Eisbären auf Pfoten in den Norden getragen, hätten ihren Sparstrumpf für ihn geleert (restlos) und wären für ihn durchs Feuer gegangen. Aber Surströmming?
Ein Schweigen senkte sich auf die Freunde, behutsam, zart; nicht ablehnend, sondern jene Art Schweigen, in dem die Wärme der Geborgenheit ein inneres Zuhause bietet. Hier kann und darf ein Tabu gebrochen, ein Geheimnis mitgeteilt werden.
Bruno straffte die Schultern und atmete tief durch. Koksi sah seinen Freund fragend an, da er ahnte: dieses Schweigen galt ihm.
„Koksi, weißt du…, also, Surströmming, wir wissen, du liebst ihn, aber das letzte Mal… du weißt, als das Bundes-Seuchenamt hier deswegen vor der Tür stand?“ Bruno hoffte, den richtigen Ton zu treffen, aber Koksis Unterlippe zitterte bereits.
„Lieber Koksi…, wir -“ Koksi warf sich im Lachkrampf zu Boden und trommelte mit den kleinen Fäusten auf die Auslegeware: „Angeschmiert! Dummeldö!“
Henk fasste ihn am Hinterlauf, stapfte mit ihm zum Fensterbrett und tunkte ihn dort in der Gießkanne unter.
Prustend grölte der kleine Tunichgut weiter, zeigte auf seine Freunde und kicherte sich heiser.
„Was und warum?“ fragte Teddyz, der in diesem Moment durch die Tür getreten war. Vera erklärte es ihm kurz. Bei der Stelle mit dem Surströmming hielt Teddyz kurz besorgt die Luft an.
„Nur ein missratener Scherz, wie gut“, sagte er, und dann zog er sein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk hinter dem Rücken hervor: ein feines Seidentuch, hauchdünn mit Wolle gefüttert, am Rand bestickt und mit etwas Spitze verziert.
Vera pfiff anerkennend durch die Zähne.
Teddyz drehte sich langsam um die eigene Achse. Der Stoff glitzerte etwas in der Nachmittagssonne.
„Todschick!“ schwärmte Koksi. Er nahm vorsichtig ein Stück von dem Tuch zwischen die Pfotenballen.
„Einfach klasse. Dazu passt alles“, ergänzte Henk.
„Ja, zum Beispiel Klopapier. Sind noch Kekse da?“, fragte Bruno, vor Neid blassgrün, und spähte an Teddyz‘ Rücken vorbei zur Keksschale. Henk verpasste ihm eine Kopfnuss.
Teddyz strich sich über sein neues Halstuch und nahm Bruno den Keks weg. „Ich finde es kleidet mich ganz hervorragend. Und im Übrigen bist du mittlerweile der Einzige von uns, der kein einziges Kleidungsstück trägt.“
Bruno funkelte ihn an und hopste vom Sofa.
„Ich warte eben so lange, bis Phantom geschoren wird. Wir haben nämlich besprochen, dass meine Weste nur aus seiner Wolle gemacht wird“, schnauzte er und trollte sich