Bruno sauste um die Ecke und schrie: „Ich hab ihn, ich hab ihn!“ Das war an und für sich nicht ungewöhnlich, jedoch schleifte er eine für ihn riesige Menge Stoff hinter sich her.
„Oh, ist der schön!“, schwärmte Koksi und griff danach. Wohlig rieb er den weichen Stoff an seiner Wange. „Ein bisschen groß für dich, hm?“, fragte Henk, nachdem klar wurde, dass es sich hierbei um einen Rock handelte, „und, sollen wir dich danach Brunhild nennen? Hihi.“
Bruno patschte ihm eine, richtete sich auf und brüllte: „Kannst es ja versuchen, aber dann wird mein Schwert dich strecken und fürderwahr ward Siegfrieds und der meinige nibelungische Fluch auf dir in Ewigkeit!“
„War das Deutsch?“, fragte Koksi.
„Und wie“, brummte Henk.
Teddyz besah sich die Angelegenheit.
„Das gibt Ärger mit Sybille. Aber richtig.“
Bruno tat scheinheilig: „Wieso?“
„Das weißt du ganz genau. Sie hat den Rock damals in London gekauft, in der Portobello Road.“
Bruno zuckte mit den Achseln. „Sie ist viel zu dick dafür geworden. Sie behält ihn nur noch aus Sentimentalität.“
Betrübt schauten sie auf den schönen Rock.
„Sie könnte noch mal wieder rein passen.“
Sie sahen sich an. Sie schüttelten den Kopf. „Unwahrscheinlich“, meinte Henk und biss in einen Keks.
„Ich habe überhaupt noch nicht gesagt, ob ich den Stoff als Ohr haben möchte“, begann Teddyz, „ich -“
„Du musst ihn erst mal anprobieren“, schmeichelte Bruno, „seine Haptik, wie er fällt, wie es sich damit geht, auch mal draußen, und all sowas.“
Er erklomm den großen Bären und zog das Tuch mit sich.
„Unfug“, knurrte Teddyz. „Ich will kein neues Ohr und Sybille weint weil du ihren London-Rock zerschnippelt hast und du sagst wieso, hör mal liebe Sybille, du bist eh zu dick dafür geworden – und dann kriegen wir … zwei Wochen keinen Pudding mehr oder so.“ Den Bärchen stiegen Tränen in die Augen.
Bruno ließ nicht locker. „Du musst auch mal ein Wagnis eingehen. Von nichts kommt nichts. Irgendwann wird Gras über die Sache gewachsen sein, aber du hast immer noch dein schönes Ohr. Und dieses Muster! Mann nennt es Tartan, es drückt deine Zugehörigkeit zu einem Clan aus, und wenn er zu Sybille gepasst hat, dann passt er deswegen auch automatisch zu dir, weil Sybille ja unser Clan ist.“
„Hm.“
„Wie Highlander! Mit Queen und Sean Connery!“ Brunos Stimmung kippte.
„Du siehst toll aus damit!“, sagte Koksi und selbst Henk ließ seinen Keks liegen und sah sich die Sache genauer an.
„Ja“, sagte Henk.
„Ich passe ihn jetzt mal an.“ Entschieden schnappte sich Terrorschneider Bruno die Schere und gab Koksi und Henk den Befehl zum Mitarbeiten: „Du stellst Dich da vorne hin und ich greife hier in die Schere und Koksi springt da und Henk hält den Stoff fest und passt auf, dass keine Teile von ihm dazwischen geraten, die wir dann auch noch wieder annähen müssten.“
„Seid ihr völlig wahnsinnig geworden?“ schnauzte Sybille, die just in diesem Moment durch die Tür kam.
„Spielverderber“, murmelte Bruno und löste sich vorsichtig aus dem Griff der Schere. Teddyz erklärte in knappen Worten das „Missverständnis“.
Sybille legte die Stirn in 1a-Dackelfalten und grübelte.
„Sie grübelt. Auch wenn sie sonst nichts kann, grübeln kann sie“, flüsterte Bruno Henk ins Ohr, der ihm dafür in die Rippen boxte. Er hatte schon mal mehrere Tage auf Kekse verzichten müssen, weil Bruno frech zu Sybille gewesen war.
„Ich habe eine Idee“, beendete Sybille ihre Denkpause.
„Was?“ Bruno blinzelte und tat als sei er eben erst aufgewacht. Er war stinkig und konnte es an niemandem auslassen.
Einige Tage später kam Sybille aus der Stadt zurück nach Hause. Nachdem die Bärchen ihr mitfühlend zugesehen hatten, wie sie den Einkauf ins Haus schleppte, erkannte Henk eine Tüte auf der Küchenarbeitsplatte. Normalerweise hielt er nach glitzernden Plastikfolien mit kohlehydratreichem Inhalt Ausschau, aber nun stutzte er.
Er deutete auf einen Zipfel, der aus der Tüte ragte: „Wir bekommen ein Ba…bä… ein Baby?“ Ihm wurde ganz schwummerig. Die Verantwortung. Der Lärm nachts. Stinkende Windeln. Sabber.
Sybille lachte, als sie in die verwirrten Gesichter der Bärchen schaute. Koksi schaute betreten zu Boden.
Bruno richtet sich auf. „Von mir ist es nicht. Teddyz und Henk waren letztens nachts aus, und -“ Henk semmelte ihm eine. „Olle Petze!“, fauchte er ihn an. Bruno biss ihm ins Bein.
„Nein, nein“, beruhigte Sybille die Bärchen, „es ist kein Teddybaby. Es ist, taterataa“, sang sie und zog den Inhalt aus der Tüte, „es ist einfach nur Teddystoff.“
Die Vier richteten wie hypnotisiert ihre Blicke auf das hell-braune Plüschtuch. Sie erstarrten zu Salzsäulen.
Nach einer für Sybille irritierend langen Weile ergriff Teddyz das Wort: „Das. Ist. Sowas von eklig!“
„Oh.“ Sybille versteckte hastig den Teddystoff hinter ihrem Rücken. Ihr schwante, dass Teddystoff für Teddys wie Menschenhaut … sie schüttelte den Gedanken ab und riss die Bärchen mit einer Schachtel Nougat-Mandel-Kleber aus der peinlichen Situation.
Drei Tage später riss Bruno seinem Freund Teddyz morgens den Frühstückskuchen aus der Pfote. Henk kümmerte sich rasch darum.
„Was soll das?“ Teddyz war wirklich fast sprachlos.
„Heute bekommst du dein neues Ohr. Glaub ich. Und vor einer Operation darf man nichts essen.“ Henk schaute auf Teddyz Teller nach, ob da noch etwas liegen würde. Enttäuscht wandte er sich ab.
„Ja, da hast du Recht, mein kleiner Kamerad“, sagte Teddyz und nahm Bruno in den Schwitzkasten, „und diese Tat wird rechtens sein, nicht gestohlen und nicht ungefragt zerschnippelt und vor allem stilgerecht.“
Bruno keuchte und winkte ab. „Ja, ja, ich weiß, der Tartan hätte auch gar nicht zu deinem Stammbaum gepasst.“
Briefe von Euch, danke!