„Auaaa! Lass das, du Mottenkugel!“ Koksi trat Bruno, der sein kleines weißes Ohr vor- und zurückflappen ließ, gegen’s Schienbein.
Bruno grinste und rieb sich den Knochen. „War doch ein bisschen viel Whisky gestern, was?“
„Nur das fünfte Glas – das sechste war wieder in Ordnung. Glaub ich“, erwiderte Koksi und rieb sich wehleidig die Stirn.
„Hier, Selleriestange“, sagte Henk und hielt Koksi das Gemüse hin.
„Bin ich ein Eis-Kaninchen? Nein? Also. Kuck lieber mal im Kühlschrank, ob Sybille noch was von den kleinen Frikadellen hat.“
„Warum gehst du nicht selbst?“
„Ich bin unpässlich. Außerdem hatte ich gestern Geburtstag¹, und ihr habt gesagt, dass ich immer mit einer Bitte zu euch kommen kann.“
„Es wurde nicht erwähnt, dass jede Bitte auf der Stelle erledigt wird“, mischte Teddyz, dem es auch nicht so besonders gut ging, sich ein. Er hatte zuviel von der Vanillesauce gehabt, und sein exorbitanter Zuckerspiegel war vor einer Stunde in den Sturzflug gegangen.
„Zu einer Bitte gehört übrigens, dass man auch ´bitte´sagt“, murrte Henk.
Sybille öffnete kurz die Tür zum Bärchen-Zimmer, schnupperte, verzog das Gesicht, öffnete ein Fenster und verschwand wieder. Die Teddys hatte sie keines Blickes gewürdigt.
„Sie hätte ruhig fragen können, ob es uns an etwas mangelt“, stänkerte Koksi. Teddyz gab ihm einen Klaps. „Möglicherweise hat es etwas mit dem Hochflor-Teppich und dem flüssigen Kerzen-Wachs zu tun, das du auf den Teppich gekippt hast.“
„Oder dass du einen kompletten Schubladen aus dem Kühlschrank gerissen hast. Du hättest wenigstens aufwischen können“, ergänzte Bruno.
„Du hättest den Marzipan-Stollen auch nicht in den Mixer tun sollen. Jedenfalls nicht mit Milch und dann den Deckel offen lassen.“
„Das mit dem aufgetauten Huhn war auch nicht so lustig. Warum bist du da überhaupt rein gekrabbelt? Sie hat sich zu Tode erschrocken, als sie die Innereien-Tüte rausziehen wollte und dann stattdessen dich in der Hand hatte.“
„Ich glaube eher, es ist, weil Koksi ihre Tokyo-Bananas aufgemampft hat. Die sind ihr heilig.“
Koksi stemmte die Pfoten in die Hüften: „Sie isst sie so … selten! Man muss aufpassen, dass sie nicht ungenießbar werden.“
Die anderen nickten. Zum einen, weil sie dieses Argument selbst gern anbrachten, zum anderen, weil Koksi irgendwie recht hatte.
Teddyz schnappte sich Sybilles Handy, zog es vom Ladekabel und stellte es gegen ein Kopfkissen. Dann drückte er auf dem Bildschirm, bis ein Messenger-Fenster aufploppte und das Gesicht einer Herz-Freundin von Sybille auftauchte. Sie gehörte zu den ganz wenigen Menschen, die Sybilles Teddys persönlich kannten. Er patschte auf den „Anrufen“-Knopf.
„Hallo? эмэгтэй дүү? Wir haben Mist gebaut.“ Knapp erklärte er, worum es ging. Die als „kleinere Schwester“ Angesprochene versprach Hilfe, indem sie eine Freundin in Japan bitten würde, ein neues Paket Tokyo Bananas zu schicken.
„Oder gleich zwei Pakete?“, fragte sie, den Zucker-Jieper der Teddys kennend. Vier Teddys strahlten um die Wette.
„Yeahhh!“
Einige Stunden später kam Koksi mit einem Kribbeln im Nacken zu Bewusstsein, was er da gestern alles verzapft hatte. Zerknirscht nippte er an seinem heißen Kakao.
„Teddyz, wie soll ich mich denn nur bei ihr entschuldigen?“
Der Ältere strich ihm über den Kopf. „Du könntest ihr eine Arbeit abnehmen. Man kann sich nämlich nicht selbst entschuldigen. Das muss der andere tun. Der, dem du etwas getan hast.“
Henk hüpfte von seinem Kissen, schob die Tür zum Flur auf und sauste hindurch. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück und zog eine riesige Jacke im Schlepptau hinter sich her.
„Hier. Die gehört dem Typ, der hier wohnt. Da muss was genäht werden, und du hast doch jetzt eine Nähmaschine.“
Koksi leuchtete geradezu.
„Ja.“
„NEEEIIIN! Doch nicht quer! Wie soll er denn jetzt in den Ärmel kommen?“ Bruno zog sich die Ohren vor die Augen.
„Oh.“ Koksi hielt die Maschine an.
„Koksi du … Depp. Hier ist ein Loch und das muss zu. Also bitte“, sagte Henk und schob Koksi die richtige Stelle hin. Koksi inspizierte den aufgerissenen Saum: „Wie hat er das hinbekommen? Von innen sind die Nähte tipptopp.“
„Egal. Näh‘ es einfach zu.“ Während Henk die falsche Naht wieder auftrennte, zog Koksi etwas entfernt die offene Stelle unter den Nähfuß, schob hier und ruckelte da.
„Es könnte sich als Vorteil erweisen, die Naht vorher mit Nadeln abzustecken“, regte Teddyz an.
„Ich helfe ihm“, bot Bruno an. Er schleppte das Kästchen mit den Nadeln zur Maschine, gab Koksi eine kurze Anweisung und los ging’s. Koksi erwies sich als Naturtalent, bis auf das eine Mal, wo er Brunos Fuß mit absteckte.
Bald war es geschafft und gemeinsam wuchteten sie die riesige Jacke auf die Maschine und schoben die zu nähende Stelle unter den Fuß.
„Drück auf Start und dann schauen wir mal“, ermunterte Henk seinen kleinen Freund. Auch Teddyz nickte. Koksi drückte auf Start.
In zwei Minuten war es erledigt. Koksi war unglaublich stolz und seine Freunde bestätigten ihn: „Das hast du ganz wunderbar gemacht“, sagte Teddyz und Henk und Bruno nickten.
Als Sybille später in den Flur ging, erkannte sie ein Schleifchen, das um den Ärmel der Jacke von „dem großen Typen“ gewunden war. Erstaunt stellte sie fest, dass jemand ihr eine Arbeit abgenommen hatte, vor der sie sich schon seit Wochen drückte.
„Die lieben Kleinen“, murmelte sie. Dann belud sie ein Tablett mit Keksen, einem sehr kleinen Rest Marzipan-Stollen und Orangensaft. Als sie die Tür zum Bärchen-Zimmer öffnete, saßen die vier Piraten andächtig am Fenster und schauten dem Schneetreiben zu, das gerade eingesetzt hatte.
„Ist jetzt nochmal Weihnachten?“, fragte Koksi.
1) Wie jeder weiß, werden Eisbären Ende Dezember oder Anfang Januar geboren².
Das gestaltet die Party-Planung als sehr einfach: Alle treffen sich am 15. Dezember, jeder kommt und bleibt bis 15. Januar, und bringt irgendwas mit. Meist gefrorene Makrele.
2) Vgl. https://www.facebook.com/eisbaeren.arktis/ im Buch auf S. 203 -und nein, wir stehen mit den Eisbär-Leuten nicht in wirtschaftlicher Verbindung sondern finden nur das Projekt sehr nett.
Briefe von Euch, danke!