„Was macht ihr im Schnittlauch, und was pulst du dir am Knie rum?“, fragte Henk interessiert. „Das war eine Zecke!“ Bruno knibbelte sich das Fell.
Koksi nickte: „Du warst im Wald, da musst du dich nicht wundern.“ Henk setzte sich hin: „Da verwechselst du jetzt Zecken mit Komodo-Waranen. Die klettern als Junge auf die Bäume, damit sie nicht von den ausgewachsenen Waranen gefressen werden. Zecken hingegen leben im Gras und werden im Vorbeigehen abgestreift.“
rudi und die piepmätze - 1 (2)Bruno richtete sich auf. Er stemmte die Fäuste in die Hüften: „Danke Henk, ich werde ja wohl noch eine kleine Zecke von einem 3-Meter-fuffzig Waran unterscheiden können. Im Übrigen klingt es gaga, dass Zecken genau den Moment abpassen können, in dem sie sich auf einen Wirt fallen lassen sollen.“
„Was macht eigentlich der große Typ, der hier wohnt, dahinten am Gewächshaus?“, fragte Teddyz, der eben um die Ecke bog. Er rieb sich den verspannten Nacken. Lautes Scheppern hatte ihn aus seinem Mittagsschläfchen gerissen; Teddyz verstand in dieser Hinsicht keinen Spaß.
„Er füllt die Beete mit Pferdemist auf und danach mit Mutterboden, damit Sybille endlich das Gemüse unter die Erde bringen kann“, sagte Bruno, seinen Blick noch immer ans Knie geheftet.
„Ach, da bin ich aber froh“, sagte Koksi und patschte in die Pfoten, „ich hatte schon befürchtet, dass sie alles in dem mini-Gewächshaus drin lässt, damit wir nicht wieder alles räubern!“
„Hihi, das war lustig – sie hatte sich letztes Jahr allen Ernstes gefragt, ob sie überhaupt Möhren angepflanzt hatte“, lachte Henk, als ihn unvermittelt ein weich-Geschoss von oben an der Schulter traf. „Rotzlöffel, ich werd euch helfen, mit Kaka zu zielen!“, schrie er, die pelzige Faust gen Himmel gereckt, der frechen Krähe hinterher. Aus irgendeinem Baum kicherte ein weiterer Vogel. Und noch einer. Und noch ein weiterer, mit hörbarem Lachkrampf.
rudi und die piepmätze - 10„Sie werden übermütig“, schimpfte Henk und rupfte ein Grasbüschel ab, um sich die Schulter zu säubern, „sie sind so glücklich, dass ihre Jungen flügge sind und sie endlich wieder Zeit für einander haben. Habt ihr übrigens gehört, dass es dieses Jahr 80% weniger Vögel geben soll, weil so viele Insekten verschwunden sind?“, fragte er.
Teddyz horchte auf: „Der große Typ sagt, die Leute sind heutzutage zu dumm oder zu faul, um Nistkästen in ihren Gärten aufzuhängen. Oder im Wald. Es kümmert niemanden mehr. Deswegen müssen wir so viele Nistkästen haben, damit man alles ausgleicht.“
„Wir retten die Piepshälse und haben dafür alles voll Vogel-Kaka, na prima“, murrte Henk.
„Was sagt Rudi wohl dazu, der hat sie ja den ganzen Tag um sich?“, fragte Koksi unschuldig.
Teddyz verabschiedete sich. Er verfügte als alt-Teddy noch über seine ur-Instinkte und war auf Rudi nicht gut zu sprechen. Also gingen sie zu dritt zum Hinteren Stromkasten. Rudi sagte aber auch nicht viel. Henk setzte sich trotz der zarten Freundschaftsbande rittlings auf Rudis Nacken, ganz vorn, um Koksi oder Bruno gegebenenfalls aus Rudis Schlund zu ziehen. Manchmal entschieden Sekunden über den Verlauf eines Nachmittags.
„Einen feinen Pilz hast du hier“, bemerkte Koksi. Es juckte ihn in den Pfoten.
rudi und die piepmätze - 4„SSsss. SsssSS, s SSs“, antwortete Rudi. Bruno starrte in die messerscharf gezeichneten Pupillen.
„Ob Rudi uns überhaupt versteht?“, fragte Koksi. Er brach keck ein Stück vom Pilz ab und aß es auf, Rudi nicht aus den Augen lassend. Henk war bereit, Koksi auf der Stelle zu retten, falls Rudi Zicken machte. Aber der Python schien keinen Futterneid zu kennen. Für die Teddys völlig unverständlich. Sie fühlten sich gastronomisch irritiert und dadurch unwohl.
Bruno sah quer durch den Garten: „Der große Typ ist weg – lass uns mal schauen, wie weit er ist.“ Im Gänsemarsch wackelten sie zum Gewächshaus. Der nette Fahrradfahrer aus dem Dorf hatte es ihnen geschenkt.
rudi und die piepmätze - 1„Stinkt ein bisschen. Sieht aber schon ganz anständig aus“, sagte Henk und nickte anerkennend. Koksi war ihm aufs Haupt geklettert, um auch etwas zu sehen.
„Ich krieg Hunger“, murrte Bruno.
„Das wird aber noch ein Weilchen dauern, bis du hier was zu Essen, ähm, nun ja, … ernten kannst“ bemerkte Henk.
Bruno muckte vor: „Sag doch ruhig ‚klauen‘, es ist ja so. Hach, aber wenn ich da so ein Erdbeerfeld vor mir sehe… so wie damals…“, seufzte er.
„Das war kein Erdbeerfeld“, verbesserte Henk ihn, „das waren die letzten achtzehn Erdbeeren, und die wollten wir sechs unter uns aufteilen. Selbst der große Typ hätte nur drei davon – “ – „Ja, ja, ja, unterbrach ihn Bruno; dieser Besserwisser Henk war nur schwer zu ertragen. „Los kommt, ich hab von dem ganzen Gerede Appetit bekommen.“
Henk rollte mit den Augen. Er witterte Ärger.
„Lass uns mal zum mini-Gewächshaus gehen, aber unauffällig“, raunte Bruno. Henk war irgendwie erleichtert, dass nun zumindest heraus war, weswegen es Ärger geben würde.

rudi und die piepmätze - 6„Was genau hast du vor?“, fragte Koksi.
Bruno erklomm die Haube. Er grinste breit, und dann griff er durch einen Öffnungsschlitz durch den Deckel.
rudi und die piepmätze - 7„Sprossen. Es gibt nichts Besseres als Radieschensprossen.“
„Kannst du das mal buchstabieren?“, fragte Henk.
„R-a-d-i-s-… du Blödmann, hilf mir lieber, ich komm nicht ganz ran!“
„Was soll ich machen? Dich durch den Deckel drücken?“
„Mir wurst. Tu irgendwas.“ Bruno kniff die Augen zusammen und schob seine Schulter immer tiefer in die Aussparung des Deckels und streckte seine Tatzen aus.
„RAUS DA, LASS DAS LOS, HÖR AUF – EGAL WOMIT!“
„Oh guck, Sybille ist nach Hause gekommen“, flüsterte Koksi und machte sich aus dem Staub. Bruno spurtete hinter ihm her. Sybille schlug hinter sich die Autotür zu und verschwand im Haus.
„Sie hat wieder eine ihrer Launen“, keuchte Henk, als er Bruno und Koksi am Teich überholte, „da vorn: wir setzen uns zum Schaf und der Schildkröte und tun, als wär nix.“ Er gab weiter Fersengeld und leuchtete als Rotes Signal in der Ziellinie.
„Stellt schon mal das Bier kalt!“, hechelte Bruno und schob Koksi ein wenig, um den Anschluss nicht zu verlieren.
rudi und die piepmätze - 3

Eine Viertelstunde später. Das Wasser plätscherte, die Piepmätze piepten.
„Ach, was für ein herrlicher Sommertag“, grunzte Henk und goss sich noch vom Pilsener nach.
„Wir könnten heute Abend grillen, was haltet ihr davon?“, fragte Bruno.
Neben ihm klatschte ein weich-Geschoss auf den Boden.
„Ich hätte Lust auf Hähnchen!“ schrie er und fügte moderat hinzu: „Immerhin, wenn es hilft, die Welt zu retten, darf der große Typ nächstes Jahr auch noch mehr Brutkästen aufhängen.“
Nicht weit entfernt wurde dieser uneigennützige Ansatz wohlwollend vernommen. Jemand strich sich mit dem spitzen Schnabel durchs Gefieder, dachte kurz an eine Ausnahmeregelung bezüglich der weich-Geschosse und den hier lebenden Individuen – und pfiff drauf.

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