„Was machst du da?“, rief Bruno vom Küchenfußboden hinauf zu Henk.
„Ich bin ein Brotmesser“, antwortete Henk, „ich messe das Brot hier.“
Bruno hangelte sich über die Griffe hoch zur Arbeitsplatte.
„Unfug. Es muss heißen: Ich bin ein Brotmesser und schneide das Brot.“
Henk ließ die Schultern sinken: „Na gut, ich habe das Brot hier geschnitten und es ist fast 10 Zentimeter hoch.“
Bruno hatte die Arbeitsplatte erreicht. Er betrachtete den Laib von allen Seiten.
„Donnerwetter! Was für ein Klops. Jetzt verstehe ich auch: du hast das Brot ver-messen.“
Henk tippte sich an die Stirn: „Nichts da, ich habe ganz genau hingeschaut und hier auf der Skala abgelesen. Kannst es ja prüfen, wenn du so klug bist.“
Bruno schüttelte den Kopf: „Nein, du hast mich falsch verstanden. Ein Vermessungstechniker – “ Henk lachte laut auf: „Wie bescheuert ist das denn? Ver-messungstechniker? ‚He Chef, ich hab mich total vermessen, das Brot ist 12 oder 80 Zentimenter hoch, ich mach dann mal Feierabend!‘ Klar Bruno, alles klar.“
Bruno gab’s auf. „Das Brot ist aber wirklich außergewöhnlich fluffig. Die anderen sind sonst nur die Hälfte hoch.“
Henk runzelte die Augenbrauen: „Was meinst du, weshalb ich hier stehe und messe? Sie hat ein anderes Mehl benutzt, und ich versuche, die Eigenschaften des neuen Mehles mit der erreichbaren Höhe eines Brotlaibes in Korrelation zu bringen.“
Bruno ignorierte den unausgesprochenen Vorwurf seiner Dämlichkeit: „Es fehlt etwas, um es zu belegen. Hast du Wurst hier oben?“
Henk verneinte: „Sie hat den Kühlschrank abgeschlossen. Aber gegenüber macht sie Marmelade.“
Bruno drehte sich langsam um und schielte auf die Arbeitsplatte auf der Herd-Seite. Er legte den Kopf in den Nacken und schnüffelte. Ein breites Reißzahn-Grinsen ließ sein Gesicht strahlen: „Henk, das wird Rote-Beeren-Feige-Marmelade!“
„Feige Marmelade? Für was zu feige?“
Bruno schaute betrübt zu Boden. Er war es müde, dass Henks Grundwortschatz einer steten Auffüllung bedarf, wie er meinte.
Henk knallte ihm die Tatze auf den Rücken: „Ich weiß, doch, dass Feige ein Obst ist, Herr Oberschlau. Los. Lass uns rübermachen.“
Sie kletterten die Arbeitsplatte auf der Kühlschrank-Seite hinab, und auf der Herd-Seite wieder empor.
„Oh, wie lecker! Ich könnte glatt meinen Kopf rein tunken.“ Bruno patschte in die Pfoten.
„Das lass man schön bleiben, sonst bekommt sie wieder einen Anfall wie damals mit dem Pudding.“
„Och Henk, bitte, halt mich mal an den Füßen fest“, bat Bruno.
Henk blieb eisern. „Vergiss es“, knurrte er, „verrate mir lieber, warum sie die Beeren-Matsche immer erst durch ein Sieb drückt. Matsche ist matsche, oder?“
Bruno stellte die Zeigekralle auf und bereitete sich auf einen kleinen Vortrag vor: „Gerade Himbeeren und Brombeeren zeichnen sich…“ – „Bruno, die Kurzfassung.“
Bruno schnaufte: „Wegen der Kerne. Zähne von Menschen stehen enger als unsere. Und die Kerne kommen da immer zwischen und dann kneift es ihnen im Zahnfleisch.“
„Aber die Feige hat auch Kerne“, sagte Henk und deutete auf eine der Früchte vor sich.
„Ja, das ist allseits bekannt und das hast du richtig erkannt“, ätzte Bruno, „aber die sind weich und platzen wenn man drauf beißt.“
„Wie Fischeier, stimmt“, stimmte Henk zu. Dann legte er nachdenklich den Kopf zur Seite: „Gibt es eigentlich Fischmarmelade?“
Bruno verzog die Schnauze: „Bäh. Besser nicht. Der schöne Fisch verträgt sich nicht mit Gelierzucker. Obwohl, es gibt ja auch Fisch in Aspik… wir sollten das Sybille mal vorschlagen. So ein leicht karamelliges Röst-Aroma könnte einem Lachs schmeicheln.“
Verträumt starrten sie auf die vorbereiteten Marmeladengläser, die Sybille bereits mit kochendem Wasser ausgespült hatte. Die Deckel lagen noch in ihrem heißen Wasserbad.
„Fischmarmelade“, murmelte Henk versonnen.
„Zurück ins Hier und Heute!“, sagte Bruno, „wir klauen uns hier jetzt ein paar Feigen und dann legen wir uns auf die Lauer.“
Henk hielt dies für einen guten Plan.
Bruno lud sich die Arme voll.
„Henk, wie soll ich jetzt hier runter kommen?“ fragte er dann, hilflos am Rand der Arbeitsplatte stehend.
Henk gab ihm einen Schubs und sah ihm hinterher.
„Gut angekommen?“, fragte Henk und schaute hinunter.
Bruno wischte sich etwas Feigenmus von der Schnauze und lutschte seine Pfote ab. Ein Stück Feige saß ihm keck schräg auf dem Kopf wie eine französische Baskenmütze.
„Die Grundzutaten sind das A und O, Henk, und da macht sie keine Abstriche!“
Henk beschloss, die Feigen lieber im Magen zu transportieren, naschte schwupp zwei komplette Feigen weg wie nichts und sprang Bruno hinterher.
Als Sybille etwas später in die Küche zurückkehrte, wunderte sie sich über die leere Schale in die sie vorher die Feigen hinein geschnitten hatte. Sie schüttelte den Kopf und schnitt erneut die benötigte Menge klein. Dann beugte sie sich über ihr kleines Rezeptheft und ihren Taschenrechner, um den Zuckergehalt der vermengten Masse zu berechnen: „Low-Carb-Küche ist nicht immer ein Spaß“, knurrte sie.
Bruno und Henk beobachteten sie vom Wein-Regal aus und bissen sich in die klebrigen Pfoten, um nicht laut zu kichern.
„Hattest du Rahel eigentlich wegen der Eier im Brot geschrieben?“, flüsterte Henk. „Ja, hab ich erledigt“, antwortete Bruno.
Noch etwas später, als Sybille eben die gelierten Marmeladen überprüft und beschriftet und die Küche verlassen hatte („… eeendlich, Henk wach auf!“), wagten sich die Bärchen aus ihrem Versteck und fügten zusammen, was zusammengehörte: Fluffiges Brot und lecker Rote-Beeren-Feige-Marmelade.
14. Oktober 2017 at 13:55
Tolle Geschichten, ich liebe sie!
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14. Oktober 2017 at 13:56
Juhuuu! Danke, liebe Hedwig! Ich gebe es weiter an die anderen.
Liebe Grüße
Bruno
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14. Oktober 2017 at 17:33
Herrlich 🙂
Habe mich gerade köstlich amüsiert. „Ich bin ein Brotmesser“, auf diese Bedeutung des Wortes könnt auch nur ihr Bärchen kommen.
Bei dieser Geschichte habt ihr euch echt selbst übertroffen. Made my day *Bussi*.
Vielen Dank noch Bruno für deine Nachtricht, betreffend des „Ei-Brotes“, bist ein Schatz!
Dann lass ich euch jetzt mal weiter eure klebrigen Pfoten schlecken und wünsche ein angenehmes Wochenende.
Liebe Grüsse auch an Sybille!
Rahel
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14. Oktober 2017 at 19:47
Immer wieder gerne für Dich!
Wir haben leider nur gerade fast gar keine Zeit – die Kanonenkugeln müssen noch schokoliert werden!
Dein Bruno
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