„Auf der Stelle raus aus dem Schoko-Pudding! Er ist noch heiß, du ruinierst ihn ja!“ Sybille fasste sich an den Kopf, als Bruno sich am Rand der Schüssel abstützte, um herauszuklettern. „Ich weiß nicht was du hast, ich hab mir extra einen Gefrierbeutel angezogen“, murrte er. Henk grinste: „Ich hab die Wette gewonnen – du im Pudding bis zu Sybilles Schrei war unter drei Minuten.“ – „Auch das noch“, ächzte der Kleinere und reichte Henk eine 10ct Münze.
„Und wer macht die Sauerei hier jetzt weg?“, fragte Sybille. Sie zeigte auf den verschmierten Gefrierbeutel neben der Schüssel.
Bruno würdigte sie keines Blickes und hangelte sich an den Schubladen-Griffen hinunter auf den Küchenboden. Henk blickte Sybille kurz an, zuckte entschuldigend mit den Schultern und war mit einem Sprung Bruno hinterher.
„Ich weiß nicht, was mich hält, diese Rasselbande weiter zu beherbergen. Man hat nur Ärger mit ihnen.“ Sie spülte den Schwamm aus, der eine traurige nasse Spur Schokolade ins Waschbecken entließ. Dann wrang sie ihn aus, um die weiteren Schlieren fortzuwischen. „Es ist auch immer dasselbe. Sie schmuddeln alles voll, legen sich auf die faule Haut und schreien dann auch noch im Chor: Wo ist mein Nutellabrot, kann ich noch Saft haben dankeschön, gib eben kurz deine Kreditkarte.‘ Als wäre man ihr Diener.“ Eine gläserne Platte quietschte als Sybille mit dem Schwamm deutlich zu fest schrubbte. „Rausschmeißen sollte ich sie. Jetzt gleich.“
Koksi hatte in diesem Moment hinter der Tür gelauscht, in der kleinen Pfote ein Gänseblümchen, das er für Sybille gepflückt hatte. Er wischte sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel. Auf leisen Pfoten schlich er durch den Flur und hockte sich im Hauswirtschaftsraum auf den Boden. Er zuckte kurz zusammen, als Sybille die Küchentür zuschlug. Dann kletterte er in den Wäschekorb.
Teddyz machte sich bald Sorgen um Koksi, der vor einer Stunde nur kurz raus wollte, um ein Blümchen zu pflücken. Er fand seinen kleinen weißen Freund mit verweinten Augen im Wäschekorb unter einem T-Shirt.
„Was ist los, kleiner Eisbär?“, fragte Teddyz und stupste Koksi vorsichtig an.
Koksi hielt ihm sein zerknautschtes Gänseblümchen hin: „Hier, das hatte ich für Sybille gepflückt, aber sie will uns vor die Tür setzen, und das haben wir doch nicht verdient, oder? Ich bin immer nett zu ihr und leiste meinen Beitrag. Ich helfe sogar den Tisch abzuräumen, auch wenn es eine halbe Stunde dauert, den Salzstreuer in die Küche zu schleppen. Und jetzt…“ Koksi zog hoch und wischte sich die Nase am Arm ab. Teddyz reichte ihm wortlos ein Taschentuch. „Jetzt will sie uns rauswerfen, wer hätte denn so etwas erwartet?“
Teddyz dachte sich seinen Teil. Er hatte vorhin beobachtet, wie Bruno und Henk schimpfend und kichernd die Treppe hochgeklettert waren. Das war recht kurz nachdem er Sybille aus der Küche hatte laut werden hören. „Das ist bestimmt ein Missverständnis“, brummte er und tätschelte Koksi den Kopf. Der kleine Eisbär drückte sich fest an ihn.
Etwa zwei Minuten später konnten sich Bruno und Henk von Teddyz Dinge anhören, die ihnen ziemlich peinlich waren. Bruno starrte auf seinen linken Hinterlauf, Henk starrte in die Luft, wo ihn nichts ablenkte.
„Es war cool, da im heißen Schokopudding zu sitzen. Und angenehm, weil, der Rücken entspannt so schön!“, beschwerte sich Bruno über die Vorwürfe.
„Kleiner Bruno, wer cool ist, ist unangreifbar, weil er gefühllos ist. Wie willst du so deinem Menschen eine Stütze sein? Ein cooler Freund ist kein Freund, weil er Freundschaft nicht fühlt. Und das – “ Teddyz hob mahnend seine rechte Pfote, „und das auch noch mit voller Absicht. Die nächste Stufe ist die Feigheit, und kein Teddy darf je feige sein, denn er soll Mut spenden in den dunklen Momenten seines Menschen!“
Henk schob sich dazwischen: „Ich will nicht feige sein. Nie nich. Teddyz, es tut mir leid.“ Teddyz wandte sich Henk zu und flüsterte: „Was soll ich mit dieser Entschuldigung anfangen? Sybille ist es, die nach eurem Zauber in der Küche stand und sich verraten fühlte. Koksi ist es, der noch immer im Wäschekorb sitzt und sich die Augen aus dem Kopf heult.“
Es pochte leise an der Tür. Koksi stand auf der Schwelle und wollte auf sich aufmerksam machen. „Wir müssen uns bei ihr entschuldigen.“
Bruno biss sich auf die Unterlippe. Obwohl Koksi nichts angestellt hatte, sagte er selbstverständlich wir.
„Hier, zieh tüchtig!“ bat Koksi. Bruno klemmte sich den starken Faden unter den Arm und zog wie wild. „Ich zieh schon wie wild“, knurrte er. Koksi schaute ihn aufmunternd an. „Noch wilder“, grinste er. Dann hielt er die Baumwolle wieder zwischen seinen Pfoten. Mit ein paar weiteren Stichen flocht Koksi den Faden durch rosa Satinband und bildete kleine Blüten.
„Das ist gar nicht so einfach, oder? Wo und vor allem wann hast du das gelernt?“, fragte Bruno und schaute sich die Angelegenheit etwas genauer an.
„Och“, sagte Koksi bescheiden, „man beginnt mit Kreuzstich und der Rest kommt irgendwie von selbst. Erinnerst du dich noch an meine erste Stickerei? So in etwa. Aber manchmal wird es etwas knibbeliger als knibbelig. Hier, guck.“ Koksi hatte jetzt Perlen ins Spiel gebracht. Henk kam dazu und staunte nicht schlecht. „Davon wird man ja bekloppt“, sagte er interessiert. Zum Zeigen benutzte er eine außergewöhnliche Nadel, mit der Perlen und Pailletten in Windeseile auf den Tüll gebrachte werden konnten.
„Ja, wenn man es nicht schon ist“, ergänzte Koksi unbekümmert. In der freien Wildbahn hätte Henk jeden vermöbelt, der ihm zweifelhafte Komplimente machte – bei Koksi war er sich immer sicher, dass dies nicht sein konnte. Koksi fehlte das gewisse Quentchen Biss, mit dem er selbst doppelt gesegnet war.
„Was wird das überhaupt wenn’s fertig ist?“, fragte Teddyz. Er war stolz, dass der Kleinste unter ihnen sich als der Geschickteste erwies.
„Ich dachte, ich übe, falls Sybille sich eine wunderhübsche Tüll-Verzierung um die neue Bluse legen will. Dann kann ich ihr ein paar von den Ranken darauf sticken.“
„Unglaublich“, sagte Bruno und pfiff anerkennend. Er war heilfroh, dass er als Teil dieser Arbeit auch etwas von seiner Blödheit in der Küche ableisten konnte. Ganz alleine wäre ihm das nicht ganz so leicht gefallen.
„Henk, zieh das an, bitte“, sagte Koksi. Er hatte die Stickerei aus dem Rahmen genommen und hielt die Blumenprobe nun in beiden Pfoten.
„Waah, ich seh‘ ja aus wie ein Mädchen! Sie werden mich für ein Mädchen halten!“ Teddyz gab ihm einen hintendrauf: „Unwahrscheinlich, bei dem täglichen Unfug und Gefluche, lieber Henk!“
Henk wusste, wann es besser war zu schweigen. Klaglos ließ er sich die Stickerei anhalten.
„Todschick!“, freute sich Koksi. Teddyz und Bruno nickten. „Ein schönes Handwerk hast du dir da ausgesucht. Wer hätte das gedacht, nachdem das mit dem Häkeln damals solch eine Qual für dich war.“
Koksi errötete leicht. „Ach, das kann jeder lernen. Und jetzt gib mal wieder her, ich möchte es auch anprobieren.“
In diesem Moment klang der Gong durchs Treppenhaus. Das geschah eher selten. Eher eigentlich nur, wenn Sybille etwas ganz Besonderes gekocht hatte. Bruno steckte vorwitzig seine Nase durch den Türspalt. Sybille erkannte ihn sofort, als sie die Treppe hinauf sah.
„Mögen kleine Stinker mit Käsefüßen runterkommen und jede Menge Pfannkuchen mit selbst gemachter Erdbeer-Marmelade verschlingen? Und danach Pudding essen, bis Bauchweh einsetzt?“
Jubelnd tobten, hangelten, kletterten und rutschten die Teddys die Treppe herunter. Bis auf Koksi. Er war am Treppenabsatz stehen geblieben, der Tüll hing an ihm herab.
„Was ist los, kleiner Eisbär?“, fragte Sybille gut gelaunt. Sie hatte am Telefon beim Erzählen von Brunos Missetat einen Lachkrampf bekommen und die Welt war wieder in Ordnung.
„Schmeißt du uns auch nicht mehr raus?“
„Was bitte?“ Sybille riss die Augen auf.
„Du hast gesagt, du schmeißt uns raus, wegen den Nutellabroten, und wir machen nur Ärger!“, heulte Koksi. Rasch eilte Sybille die Treppe empor, griff sich ihren kleinen Freund und drückte ihn fest an sich.
„Niemals geb ich euch her, ihr Nervensägen!“, sagte sie bestimmt. Koksi wischte sich die Träne vom Gesicht. „Na gut, dann haben wir hier auch was für dich“, sagte er und hielt ihr die Stickerei vor die Augen.
Etwas später saßen, lagen und hingen Sybille, der große Typ und die Bärchen auf dem Sofa vorm Fernseher, hielten sich, vom Essen erschöpft, die Bäuche und schwiegen.
Die Welt war ein besserer Ort geworden. So wie immer.
29. April 2017 at 12:30
Eine Welt zum sofortigen Wohlfühlen. Wort und Bild strahlen Wärme aus. Die Verlockung, sich der Rasselbande anzuschliessen, wächst von Satz zu Satz. Danke, Sybille
LikeGefällt 1 Person
29. April 2017 at 12:42
Ja, unsere Sybille hat schon was. Und Du – und mitgebrachter Kuchen – seid herzlich eingeladen.
LikeLike