„Schau mal Bruno, ich habe nachträglich zum Geburtstag Eisblumen geschenkt bekommen!“ Bruno marschierte zu seinem Freund Koksi ans Fenster. Die Blumen an der Glasscheibe waren wirklich wunderschön.
eisblumen-1„Das ist der Vorteil wenn man im Winter geboren wird; an Eisblumen herrscht kein Mangel.“
„Von wem sind die?“, fragte Bruno, aber Koksi zuckte mit den Schultern. „Das weiß man nie – Mutter Natur oder Väterchen Frost“, sagte der kleine Eisbär, „aber hübsch sind sie.“
Nach einer halben Stunde sagte Koksi: „Oh, wie schade, es taut.“ Er sprang von dem Pappkarton, auf dem sie gesessen hatten und sauste ins Bärchen-Zimmer. Er reckte eine kleine Faust nach oben. „Da, so wie die Blume da in dem Bild, fast genauso hat sie ausgesehen!“
Bruno neigte den Kopf zur Seite. Er neigte ihn noch etwas mehr. Er neigte ihn, bis ihm Spucke in die Schnauze lief und er keine Luft mehr bekam. Koksi schubste ihn. Brunos Kopf schnellte in die Höhe. Er rang um Luft und schüttelte sich. „Beim besten Willen nicht, Koksi, beim besten Willen nicht.“
„Was macht ihr da?“, fragte Henk.
„Blumen vergleichen“, antwortete Koksi. Bruno nickte.
„Wie langweilig ist das denn?“, fragte Henk und ging zum Ofen, um Kleinholz zu machen. Nicht, um damit ein Feuer entfachen zu können, sondern mehr um sein Gebiss zu reinigen – wobei nie klar war, was das eine mit dem anderen zu tun haben sollte. Es war jedes Mal eine Riesen-Sauerei, all die nassen Späne.

„Ich hab noch mehr Blumen gefunden!“, rief Koksi eine weitere halbe Stunde später. Bruno kletterte auf den Nähtisch. „Was, wo?“
„Hier. Sybille hat gestern eine Bluse zerschnippelt, aber es sah dann später doch wieder gut aus. Der Stoff hier ist übrig.“
„Zieh mal an.“
eisblumen-2Koksi drapierte sich den Stoff um die Schultern.
„Und?“
Bruno schnüffelte. So wie Menschen das Radio im Auto leiser drehen, um die Strecke besser erkennen zu können, müssen Teddys alles beschnüffeln.
„Todschick. Was machen wir daraus?“
Koksi ließ den Stoff fachbärisch durch die Pfote gleiten. „Als Badehose taugt der Stoff nicht – wenn er nass wird, scheint alles durch.“
„Das hat seinen ganz eigenen Reiz“, meldete sich Teddyz, der die Szene betrachtete.
Bruno ließ eine Augenbraue hochschnellen und kommentierte die Bemerkung nicht weiter. Koksi war noch zu klein, um die Andeutung zu verstehen.
„Probier du doch auch mal an, vielleicht fällt dir dann was ein“, schlug Koksi vor.
„Ich bin doch kein Mädchen“, sagte Bruno. Dann überlegte er es sich und legte sich das eisblumen-3helle rosa Blümchen-Muster um den Hals und den Bauch. Er betrachtete sich im Spiegel. „Koksi, nein. Selbst Teddyz und Henk kichern da hinten. Nur, wenn wir alleine sind. Du und ich.“
„Sind wir doch. Nächste Woche zur Party ziehen wir sowieso was anderes an. Wir müssen Sybille nur sagen, dass da etwas mal eben schnell geschneidert werden muss.“
„Sie wird sich bedanken“, mutmaßte Henk, „wollt ihr auch einen Keks? Ich hab das Schloss an der Schoko-Schublade geknackt.“
„Donnerwetter!“ Bruno strampelte sich aus dem Stoff und schnappte sich ein Vanille-Kipferl, der ihn fast überragte. „Wie hast du das hinbekommen?“
„Gute Zahnpflege“, antwortete Henk und entblößte ein Gebiss, das im Notfall durch eine 0,5-VA-Stahlplatte ging wie durch Butter.
„Ich möchte bitte die Praline dahinten“, bat Koksi. Teddyz langte nach dem Handtuch, auf dem Henk den Inhalt der Schublade durchs den Flur gezogen hatte , griff nach der Praline und reichte sie dem kleinen Eisbären.
„Was ist jetzt mit dem Blümchen-Stoff? Hat jemand eine Idee?“
Teddyz kraulte sich die Wange. „Als Einstecktuch wäre er ganz passabel, aber dann musst du ihn noch verstärken. So wie er ist, schlappt er nach vorne über.“
„He, Koksi, Hawaii-Hemd? Aloha! Kellner, wo ist mein Cuba Libre?“ Bruno wedelte mit einem Zipfel. Er fand sich mit den Gedanken ab, Koksi und sich selbst demnächst in Rosen lustwandeln zu sehen.
„Das ist fein!“ Koksi patschte in die Pfoten.
„Man könnte ihn schwarz färben, das wäre das Beste“, schlug Henk vor.
Koksi runzelte die Stirn. „Aber Henk, dann sind ja die ganzen hübschen Blumen nicht mehr zu sehen. Das wäre keine gute Idee.“
Henk grunzte und bekam von Teddy kurz was auf die Ohren.
„Henk, du bist so doof“, sagte Bruno, stieg wieder in den Ärmel, schnappte sich den irritierten Koksi mit einer Pfote, und machte mit der anderen Pfote kurzerhand ein Selfie.

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