„Du hast ja was an der Murmel“, bemerkte Henk trocken, „wo willst du denn einen Pelz her bekommen? Da draußen rennen Eichhörnchen herum, soll ich eins herein bitten?“ – „Nein“, antwortete Bruno, „lieber nicht. Erstens sind das unsere Nachbarn, und mit Nachbarn muss man sich gut stellen, falls man mal Zucker braucht oder so. Zweitens haben sie bestimmt eine eigene Auffassung darüber, was mit ihrem Pelz anzufangen sei. Und drittens – drittens sind die Felle zu klein, und wir würden ewig dran sitzen, sie alle zusammen zu nähen.“
felljacke_b-1Koksi schubste ihn.
„Was denn, Koksi?“
„Was ist mit dem Lammfell von Sybille? Das vorm Bett. Der Bettvorleger. Sie rennt sowieso nur in Puschen rum, da braucht sie das Fell gar nicht.“
„Der Flohzirkus?“ Henk vermied zu grinsen und starrte betont auf seine Vorderkrallen.
„Nur wenn man genau hinsieht. Wir müssten es färben, und dann würden die Flöhe schon ausziehen. Gut. Teddyz, kannst du bitte mal schauen, ob wir schwarzes Haarfärbemittel haben?“
„Mach ich. Aber sollten wir nicht zunächst den sogenannten Flicken fertig bekommen? Dann wissen wir, wieviel Fell wir färben müssen, oder ob wir mehrere Packungen brauchen.“
„Aye Teddyz. Auf geht’s Männer.“ Bruno gab Anweisungen. Koksi nahm sich die Stecknadeln und sah aus wie ein Nadelkissen mit Klimper-Augen.
„Du willst schon wieder irgendwo Nadeln rein stecken, stimmt’s?“, fragte Henk. Ihm war diese Pikserei nicht geheuer.
„1000 Nadeln ersetzen ein Bügeleisen, Henk. Wir haben es hier mit einem unbekannten Stoff zu tun, den wir nicht bügeln können. Also immer munter rein mit den Nadeln“, gab Koksi bekannt.
Teddyz rieb sich die Nase. „Ist eigentlich schon jemandem aufgefallen, dass ihr den Stoff die ganze Zeit falsch rum aufsteckt? Das Rückenteil hängt überm Kragen und man sieht die Nahtzugabe.“
Koksi kicherte verschämt. „Teddyz, wusstest du das vielleicht noch gar nicht? Also, man macht das, wenn man nicht möchte, dass man die Naht sehen kann. Hier, schau mal, wir sind ja gerade fertig.“ Der kleine Eisbär tippte Henk und Bruno an, und die drei zerrten das gesamte Gedöns über Sybilles Schreibtisch-Stuhl.
Hier, guck mal. So sieht das aus. Wenn man es wieder nach hinten wirft, sieht es picobello aus.“
„Oh, das ist gut. Prima Trick“, sagte Teddyz überrascht. – „Ja“, sagte Bruno, „und vorne machen wir es noch einmal. Auf über-Brust-Höhe, links und rechts. Die Seiten haben wir ja schon zusammen genäht. Und danach kommen die Ärmel-Aussparungen dran. Fertig.“felljacke_b-strecke

„He, Moment. Vor den Ärmeln wollen wir noch am Reißverschluss entlang“, mischte Koksi sich ein. Dieser Punkt war ihm wichtig.
„Nur, wenn wir den ganzen Wulst unter dem Nähfuß hindurch bekommen.“ Bruno neigte den Kopf ein wenig, als er die Ärmel der Jacke mit Sicherheitsnadeln am Kragen fixierte – felljacke_b-3felljacke_b-2so waren sie nicht länger im Weg.
Er wusste, wie sehr Koksi sich auf seine Nähmaschine verließ und wollte eine Enttäuschung vermeiden. Immerhin ging es hier darum, eine dick gefütterte Jacke mit einem an der Naht doppelt gelegten Bouclé zu benähen. Hier konnten im Bruchteil von Sekunden Nadeln zu Geschossen werden. Und Nähmaschinen zu qualmen beginnen. Welten bersten.
„Och, das klappt bestimmt“, sagte Koksi zuversichtlich.
„Dann los. Aber vorher müssen Henk und ich noch den Tisch abbauen.“
Koksi fasste sich entsetzt an die Wangen: „Den Tisch? Aber es hat Stunden gedauert ihn aufzubauen!“ Henk tätschelte Koksi den Nacken und raffte sich auf: „Koksi, alles gut, es geht um den Tisch von der Nähmaschine. Nicht um den Tisch unter der Nähmaschine. Komm, Bruno.“
felljacke_b-5Henk und Bruno lösten den Tisch von der Maschine und stemmten ihn aus seiner Verankerung.
„Es wird ernst“, knurrte Bruno. Die anderen ahnten ja nicht, dass er nicht über einen Plan B verfügte, falls das hier schief gehen sollte. Ihm wurde elend zumute, wenn er an Koksis Gesicht dachte, wenn er ihm offenbaren müsste … – halt, das brachte nichts, man muss es erstmal versuchen!
„Also, jetzt geht es um die Vorderteile. Den Lappen hoch!“
Es ging schneller vonstatten als erwartet. Ratzfatz saßen die beiden Vorderseiten.
„Und jetzt die Längsnähte am Reißverschluss!“, jubelte Koksi.
felljacke_c-2Bruno war schon ganz schlecht vom dran-denken. Trotzdem fummelte und ruckelte er den Schwung Stoff unter dem Fuß hindurch. Er hatte bereits die Sicherung gelöst, die den Fuß knapp über dem Transporter hielt, um mehr Höhe hindurch zu lassen.
„Drück auf Start, Koksi“, sagte er leise.
Koksi drückte.
Es wurde ein Gehopse und Start-Stop-Start-Stop-Gedrücke. Sie hatten einen Saum-Fuß gewählt (den Stich in etwa wie: XI) der nun so tat, als sei die Jacke der Untergrund und der Bouclé wäre Stoff, den man versäubern müsste. Es wurde recht arg, als sich der Saum-Dorn am Fuß in den Bouclé bohrte und die ganze Angelegenheit nur mit einem beherzten Schnitt geklärt werden konnte.
felljacke_c-3Dann! Der Knopf! Bruno hatte den Knopf nicht berechnet, und nur durch unfassbares Glück passte der Nähfuß eben gerade zwischen Bouclé und Knopf. Bruno errötete unter seinem Fell, als Koksi ihm fröhlich zuwinkte: „Bruno, das war perfekt voraus gesehen!“ Der braune Bär schämte sich von Herzen für dieses Lob.
Nun dann, die letzte Herausforderung für den Tag: die Ärmel.
Bruno wagte kaum, es zu denken, geschweige, es auszusprechen. Eine Kurve zu nähen, ohne geheftet zu haben, mit widerspenstigen Nadeln und unzureichender Kraft in den Pfoten, nur mit der Möglichkeit, dauernd zu stoppen und den Fuß anzuheben, damit der Stoff wieder gerichtet und in Spur gebracht werden konnte.
felljacke_b-10Bruno hätte jetzt gern einen Fingerhut Eierlikör gekippt. Auf ex.
Henk deutete auf eine Strecke, die Teddyz währenddessen gesteckt hatte: „Tu dir nicht weh, ja? Ich hab mal gehört, dass jeder Pikser in den Finger je nach Finger etwas Besonderes bedeutet. Ich glaube, Ringfinger bedeutet, man bekommt einen Kuss. Und der kleine Finger – “
„Streuselkuchen! Ich bin für Streuselkuchen,“ rief Bruno laut und lutschte an seiner rechten Pfote. Manchmal ließ ihn seine Leidenschaft an seinem Verstand zweifeln. Er wischte sich ein bisschen Schweiß von der Stirn.
Der erste Ärmel-Ausschnitt war geschafft. Bruno desgleichen. Was einmal geklappt hat, kann auch ein zweites Mal funktionieren, dachte er.
Und es funktionierte.
Es war getan.
Es war geschafft. Erledigt. Fertig. Done, well done. Schampus für alle.
felljacke_c-1-1
„Und jetzt?“, fragte Koksi.
„Jetzt gehen wir Haare färben.“
„Du willst da wirklich noch Pelz drauf bekommen?“
„Ja.“
„Du weißt, dass eine Ledernadel wie eine Klinge schneidet. Wenn du da auf unserer Jacke … also… dann ist das wie … schau dir mal das Heftchen mit den Nadeln an. Wie Briefmarken-Perforation.“
„Oje.“

Weiter geht’s in Teil 3…