Bruno sprang auf Sybilles Handy von Buchstabe zu Buchstabe. Es war nicht sehr einfach, auf eine SMS zu antworten, daher zog er Telefonate vor. Aber Onkel Jann hatte eine Bitte an Henk und da galt es zackzack zu reagieren.
„Henk!“, schrie er vor sich hin, jetzt schon zum fünften Mal. Endlich öffnete sich die Wohnzimmertür.
„Ja, was schreist du denn so? Ich komm eben nicht so schnell aus dem Kühlschrank raus, nur weil du rumbrüllst.“
„Jann – will, dass wir – Mark – schreiben“, schnaufte Bruno, der gerade dem Ziel der Grußformel entgegenhopste.
„Ich kenne Mark überhaupt nicht, wie soll ich ihm da schreiben?“
Bruno kontrollierte nochmal den Text: „… schafft das. So und nun trink ein Bier für mich mit. Bruno.“
Henk stemmte die Pfoten in die Hüfte. „Wieso soll ich Mark schreiben und was soll ich denn überhaupt schreiben?“
Bruno richtete sich auf und nahm einen großen Keks aus der Kekse-nur-für-Gäste-Schale.
„Du sollst ihm keinen Brief schreiben, sondern Marks Namen auf eine Feldschmiede-Tasse. Und zwar hopp-hopp, Jann braucht das bis gestern.“
„Wie, ‚Bis gestern‘? Bruno, geht’s noch?“
„Das ist eine Redewendung aus dem Bissness, man kann auch sagen asapp oder sieh zu oder du bist gefeuert.“
„Ich geh ja schon, nur noch diesen einen… diese drei Kekse. Du kannst übrigens von Glück sagen, weil ich erwarte zufällig eine ganze Ladung Rohlinge.“ Henk leerte die Schale und ließ Bruno betrübt mit seinem einzigen Keks zurück.
Es klingelte an der Tür. Koksi und Henk pressten sich gegen die Mauer, hielten den Atem an und warteten, bis der LKW-Fahrer fluchend wieder den Hof verließ. Es tat ihnen immer Leid, die Fahrer so zu strapazieren, aber einmal hatte sich ein Bote derart über plötzlich auftauchende und wild diskutierende Teddies erschreckt, dass sie darauf verzichteten, diesen Menschenkindern weiterhin persönlich zu begegnen.
„Ob er es abgestellt hat?“, flüsterte Koksi.
„Das will ich ihm geraten haben, es ist bezahlt und die Notiz war, es auch bei Abwesenheit auszuliefern“, knurrte Henk. Er zog am Seil, mit dem sie die Türklinke betätigen konnten und öffnete zügig die Tür. Der LKW war weg, die Luft war rein.
„Da ist es!“, rief er und sprang freudig die zwei Stufen auf die Terrasse hinunter. Mit einem Satz war er auf den Kartons, die auf einer Palette fest eingepackt waren.
Koksi schleppte sich mit einem Teppichmesser ab und war nicht so schnell. „Warte Henk, ich will auch dabei sein!“
Henk reichte dem kleinen Eisbären eine Pfote und zog ihn zu sich hoch.
„Schneid mal das Plastik durch, Koksi, ich trag den Karton dann ins Presswerk.“ Koksi säbelte mit vollem Elan an der Folie bis die Kartons freilagen: „Fertig!“
„Gut.“ Henk schulterte einen der Kartons und trug ihn zur Treppe vorm Presswerk. „Hilf mal schieben, Koksi!“, rief er. Er hatte letztes Mal den Fußboden mit Schmiere bearbeitet, damit die Kartons besser zu manövrieren waren, aber Sybille hatte ihn kurz darauf mit zitternder Stimme darum gebeten, dies zukünftig zu unterlassen. (Ihr blauer Fleck am Oberschenkel hielt seinerzeit ganze zwei Wochen.)
Gemeinsam schoben sie den ersten Karton in die Werkstatt. Dann den nächsten. Und so weiter, bis die Palette abgeräumt war.
„Gehen wir jetzt hoch ins Büro?“, fragte Koksi.
„Ja. Geh schon mal vor, ich muss hier noch eine Liste ausfüllen.“
„Mit C oder mit K?“, fragte Koksi. Er hatte die Herrschaft über die Maus und die Tastatur. Dies hing im Wesentlichen mit dem Unwillen Henks, Rechtschreibung nicht nur als lose Richtlinie anzusehen, zusammen.
„K. Ich bin mir sicher, dass Bruno K gesagt hat. Lass Dir nur Zeit. Wir haben jetzt ja nur ein Exemplar anzufertigen. Aber es muss nachher noch in die Post und Sybille wird immer angesäuert, wenn man es ihr drei Minuten vor Schalterschluss sagt.“
„Oh, wir sind in Eile! Ojeoje. Dann mal zügig jetzt.“
Koksi klickte, der Drucker druckte.
Als der Druckbogen aus dem Papier gelöst war, sausten sie die Treppe hinunter, setzten die Maschine in Gang und unendliche Minuten später stand die fertige Tasse in der Versandabteilung, also etwa einen Meter entfernt, auf dem Regal. Henk stellte die Tasse so hin, dass Koksi seine Arbeit betrachten konnte.
„Warum lieben Menschen Tassen mit ihrem Namen drauf?“, fragte Koksi.
„Wegen den Römern. Die haben sich immer gegenseitig vergiftet, und man kann seitdem nur seinem eigenen Namen trauen. Glaub ich. Und es verhindert, dass jemand anders aus Versehen deinen Becher benutzt, wenn er Erkältung hat, oder Schnodder, oder -“ „Danke!“, rief Koksi dazwischen. So genau wollte er es dann auch nicht wissen.
„Ich bin so gespannt, ob sie Mark gefällt“, sagte Koksi leise. Für ihn war jede Tasse, die durch sein Zutun einen ganz eigenen Charakter verliehen bekam, ein kleines Wunder.
„Natürlich, es waren ja Bären vom Fach am Werk“, sagte Henk. „Du kannst dich übrigens darauf einstellen, dass wir die nächsten Wochen alle Pfoten voll zu tun haben“, bemerkte er.
„Warum?“, fragte Koksi gespannt.
„Weil Sybille ihren Schnabel nicht halten konnte und uns einen Auftrag eingebrockt hat“, knurrte Henk. Er war stolz, dass er und Koksi diese Anerkennung erlangt hatten, aber er würde eher einen Keks hergeben, als sich seinen Stolz anmerken zu lassen.
Koksi betrachtete die Welt aus seiner eigenen Perspektive. Er klatschte in die Hände und hüpfte aufgeregt durch die Werkstatt.
„Das ist ja großartig, Henk!“
„Fünfhundert Stück, kleiner Freund.“
Koksi hielt inne und starrte Henk an. Er schob sein kleines Kinn vor.
„Na dann. Wollen wir mal das Fell hochkrempeln.“
Zwei Tage später rief Bruno alle zusammen. Mit großem Trara öffnete er den Computer und zeigte mit von Stolz geschwellter Brust auf eine Foto-Nachricht von Jann. Koksi schniefte hoch. Henk brummte zufrieden. Teddyz nahm sich noch einen Keks.
Briefe von Euch, danke!