„Iiiieeh, das sollen wir essen?“ Koksi zog eine angewiderte Schnute und rümpfte die Nase. „Ich bin doch kein Kanniba… Kannibabärchen!“
Bruno kletterte zu Koksi auf den Esstisch und betrachtete die Sauerei: „Gummibären. Igitt wie eklig. Kleine Bärchenbabies zum Essen. Bah. Jetzt hat sie’s zu weit getrieben.“ Er hopste auf den Stuhl unter sich, dann auf den Boden und stapfte in die Küche.
Koski und Henk, der sich nicht an der Form der Süßigkeiten störte und sie kurzerhand aufaß, lauschten andächtig dem Gezeter von Sybille und Bruno.
„Herrgott noch eins, dann iss halt die Muschel oder das Herz! Ich habe alle diese Dinge mit Liebe entwickelt und zubereitet und möchte niemandem etwas aufzwingen! Das Weingummi und die Kekse sind prima lowcarb und ich werde sie alle allein aufessen!“ schnauzte Sybille.
Koksi zählte leise an den Fingern ab: „Eins, zwei, drei – da!“
Die Küchentür flog auf, Bruno ausspuckend. Und schloss sich mit beherrschtem klick.
„Gegen die Kekse hätte ich gar nichts!“ brüllte Bruno die Tür an.
Nichts tat sich. Er pochte mit einer Pfote gegen das Holz, doch die erhoffte Reaktion blieb aus.
Mit einem Schulterzucken wandte er sich seinen Freunden zu, die auf die weitere Entwicklung der Geschehnisse warteten.
„Kommt einer mit raus? Ich brauch frische Luft.“
Koksi hob die Pfote und wackelte an Bruno vorbei Richtung Garten.
„Henk?“
„Du hattest Kekse erwähnt. Ich warte, bis sich der Rauch verzogen hat und geb euch dann Bescheid“, sagte Henk und lehnte sich an ein Kissen.
Bruno glaubte den ersten Teil sofort – beim zweiten, dem Bescheid-sagen, hatte er jedoch so seine Bedenken.
„Vergiss das nicht“, mahnte er und folgte Koksi.
„Schau mal Bruno, wie hübsch!“ Der kleine Eisbär hatte in den Margeriten eine Spinne entdeckt.
Bruno war beeindruckt: „Was für ein Klops. Und so fleißig. Man fragt sich, was Spinnen im Winter machen, wenn es kalt ist.“
„Wollen wir allen Bescheid sagen, wenn es friert, und dann öffnen wir die Fenster und Türen, und alle können reinkommen?“, fragte Koksi.
Bruno runzelte die Stirn. „Eine Eingebung sagt mir, dass wir dies zunächst mit Sybille besprechen sollten. Sie kreischt immer so rum, wenn sie eine von den fetten schwarzen Spinnen sieht.“
Koksi nickte: „Das ist wegen dem Känguru-Land, wo sie mal öfter war, da wohnen Spinnen, die sind so groß, dass selbst unser Henk seine liebe Not mit ihnen hätte.“
„Henk hat noch alle k.o. gehauen“, meinte Bruno. Er hangelte sich aus dem Margeriten-Busch auf den Boden und steuerte auf den Apfelbaum zu.
„Hier, ein Wurmloch. Wir haben ganze zwei Äpfel in diesem Jahr, und selbst die werden uns noch streitig gemacht.“
„Der Frost im Frühling?“, fragte Koksi.
Bruno nickte.
„Wir lassen die beiden Äpfel für die Vögel übrig. Wenn der Winter streng wird, haben sie alle Not, etwas zu fressen zu finden, und wir sitzen trocken und haben die Vorratskammer.“
Bruno stimmte sofort zu. Er freute sich schon auf den Schnee und sein Hobby, die blöden Piepser mit harten Schneebällen zu attackieren. Ein Apfel als Lockmittel würde sein Handicap erheblich verbessern.
„Vielleicht finden wir auch noch etwas im Gewächshaus“, schlug Koksi vor. Er war ganz in seinem Element, die Welt vor Hunger zu retten. Als Eisbär, der damals vor schmelzenden Polkappen geflüchtet war, wusste er, wie laut ein Magen knurren konnte.
„Die Schnecken haben nicht viel übrig gelassen“, bedauerte Bruno von Herzen. Trotzdem wagten sie einen Blick.
„Alle Achtung, sie haben wirklich alles aufgefressen. Außer der Roten Bete. Als hätte hier nie etwas gestanden.“ Koksi schaute in die Runde und pfiff anerkennend.
Bruno senkte den Kopf: „Äh, nein. Das war der große Typ, der hier wohnt. Letzte Woche. Er hat den Rest der massakrierten Tomaten, Salate, Möhrchen, Zucchini und wasweißich ausgegraben und auf den Kompost geschmissen.“
„Bis auf die Rote Bete. Bruno, ich frage mich, warum sie die verschmäht haben. Vielleicht betreiben sie Vorratshaltung. Sie haben sie sich bestimmt für später aufgehoben.“
In Bruno, der Rote Bete hasste, keimte ein Fünkchen Hoffnung: „Dann kann sie endlich mal wieder Labskaus machen, ohne diese fiese Bete. Dafür mehr Hering.“
Gemeinsam schoben sie die schwere Tür zum Gewächshaus wieder in die Verankerung.
„Hast du eigentlich schon die Pilze probiert?“ fragte Koksi und gab der Tür einen letzten Schubs.
„Sind sie schon reif?“
„Lass uns hingehen.
Sie machten am Bärchen-Baum Halt und legten eine Pause ein.
„Bruno, was ist dumm?“, fragte Koksi nach einer Weile leise.
„Oh, da bin ich Profi! Dumm ist, wenn man an der Bushaltestelle steht und erst dort feststellt, dass man vergessen hat, Geld einzustecken und erst dann herausfindet, dass man kein Geld einstecken konnte, weil man ebenfalls seine Hose vergessen hat. Anzuziehen. Die Hose. Dumm ist auch, wenn man zu faul ist, sich einen Löffel zu holen und den Zucker gleich aus dem Zuckertopf in den Kaffee schüttet und dann muss man plötzlich husten und alles ist voll Zucker und der Kaffee ist fast trocken, weil so viel Zucker drin ist.“
Koksi kaute nachdenklich an seiner Pfote.
„Koksi, dir sitzt doch ein Pups quer. Was ist los?“
Koksi kaute.
„Koksi, wenn du dir das angewöhnst, wird die Stelle kahl und dann wächst da kein Fell nach. Was ist los?“
Koksi atmete tief durch. „Der große Typ, der hier wohnt hat gesagt, ich wäre ein kleiner dummer Eisbär.“
Bruno schwante nichts Gutes. Für gewöhnlich sprach der große Typ überhaupt nicht. Und dann gleich so etwas.
„Hast du eine Idee, wie er auf diese bescheuerte Idee kam?“
„Ich hab die Kette von seiner Kettensäge geputzt. Sie war ganz verschmiert. Zwei Stunden lang hab ich gewienert und geschrubbt. Er hat sie doch so oft in Gebrauch gehabt und macht sie nie sauber.“
Koksi zog hoch. Bruno, der hinter seinem Freund saß, ahnte, dass dieser mit jenen heißen Tränen kämpfte, die nur Ungerechtigkeit verursachen konnte.
„Der spinnt ja. Komm, zeig mir die Säge mal.“
„Er hat sie eingeschlossen.“
„Dann hat er es nicht besser verdient. Er sollte froh und dankbar sein, dass du dich um seine Geräte sorgst. Und – halt, nein, ich hab’s: Koksi, er war bestimmt entsetzt, dass du dich in Gefahr begeben hast! Stell dir mal vor, das Ding wäre angesprungen und der kleine Koksi in tausend Fetzen!“ Bruno drückte seinen Freund fest an sich.
Koksi schniefte, aber diesmal vor Rührung.
„Weißt du was, Bruno? Das nächste Mal lassen wir einfach das Benzin vorher ab, und dann kann mir nichts passieren. – Und jetzt gehen wir zu den Pilzen, ja?“
„Der Gott der Pilze hat bestimmt an ein neues Schlagzeug gedacht, als er diese Formation schuf“, kommentierte Bruno.
„Sie schmecken fantastisch“, sagte Koksi.
„Du hast aber nicht zufällig wieder irgendwelche bunten Farben gesehen oder kreischende Viecher mit Tentakeln und fliegende Hirsche?“
„Nein“, wiegelte Koksi beschämt ab. Er konnte sich noch gut an den Nachmittag auf der Kuhwiese erinnern, als er ähnlich aussehende Pilze gefunden und probiert hatte. „Diese Pilze, die du meinst sind viel kleiner und laufen oben spitz zu.“
„Dann ist es ja gut“, schnaufte Bruno und biss einen großen Happen ab.
„Behalte das jetzt mal im Maul! Ohne runter schlucken“, befahl Koski, griff Bruno an der Pfote und sauste mit ihm zum Beet mit der Kapuzinerkresse.
„Das da, jetzt obendrauf und dann zusammen kauen.“
Bruno tat wie ihm geheißen.
Er kaute bedächtig. Er verdrehte die Augen voll Wonne.
„Baff iff ech legga“, ächzte er zwischen den Zähnen hervor.
Koksi nickte.
Bruno schluckte. „Und jetzt einen Keks als Nachtisch. Henk hat bestimmt vergessen, uns Bescheid zu sagen.“
Sie liefen zurück zum Haus, als Koksi auf halber Strecke abbremste und zu den Pilzen zurückkehrte, dort ein Stück abbrach und Bruno damit zuwinkte.
„Für Rahel! Ich schicke ihr ein Stückchen, dann kann sie damit ein neues Rezept entwickeln!“ rief Koksi.
1. Oktober 2017 at 14:42
Das ist ja prima! Ich freu mich schon darauf, bis der Pilz hier bei mir ankommt. Werde mich dann auch sofort damit in die Küche verziehen und ein möglichst leckeres Rezept aus der Hüfte zaubern 🙂
Und beim Kochen werde ich mir eine Tasse Kaffee gönnen, den ich zum Glück ohne Zucker trinke, sonst würde mir womöglich dasselbe Missgeschick passieren wie Bruno. Wobei ich mich gerade frage: Trinken Bären Kaffee ??
Freu mich schon auf eure weiteren Taten ihr Lieben. Auf hoffentlich ganz bald.
Mit ganz lieben Grüssen aus der Schweiz
Rahel
LikeGefällt 1 Person
1. Oktober 2017 at 14:45
Ohne Kaffee ist ein Leben ohne Winterschlaf. nicht wirklich durchzustehen.
Liebe Grüße zurück und gutes Gelingen mit dem Pilz!
Bruno
LikeLike