„Du hast deinen Fuß in meinem Gesicht!“ maulte Henk und schob Brunos Tatze beiseite. „Oh. War  keine Absicht.“ Bruno drehte sich um. „Hast du aber Käse-Mauken, mein lieber Scholli“, bemerkte Henk.
ba%cc%88renhunger-4„Das ist auch keine Absicht“, murrte Bruno. Er zog seinen Fuß trotzdem etwas näher an sich heran.
„Könnt ihr mal aufhören? Wir wollen schlafen, es ist mitten in der Nacht.“
„Jetzt hab ich Hunger“, sagte Henk und rollte sich vom Kissen.
„Bring mir bitte was mit“, flüsterte Koksi und fiel sofort wieder in Schlummer.
Henk tapste los. Zur Küche ging es die Treppe hinunter; eine natürliche Hürde, sollte man meinen, aber nicht für einen hungrigen Bären.
Er ließ sich einfach von Stufe zu Stufe plumpsen.
Nachdem er unten war, tapste er weiter in die Küche. Über die Griffe der Schubladen kletterte er auf die Arbeits-Platte. Mit einem Kochlöffel hebelte er die Tür zum Kühlschrank auf. Von da an war es nur noch ein Spaziergang. Im wörtlichen Sinn. Henk schob ein Bund Sellerie aus dem Blickfeld. Wo war die Salami von gestern? Ah, da.
„Man soll immer schön langsam kauen“, murmelte er und gluckerte noch etwas von der Vanillesoße in sich hinein. Dann ging es dem Cheddar an den Kragen. Und einem einsamen Babybel. Und einem Stück Schmelzkäse. Ein gekochtes Ei von gestern. Etwas vom Pizza-Teig, aber ohne Belag war das … – das Licht in der Küche ging an.
ba%cc%88renhunger-3„Gehst du bitte aus der Schale mit dem Zaziki?“ fragte Sybille.
„Deswegen der Knoblauch. Ich dachte schon, es wäre Bruno“, antwortete Henk und setzte sich kauend auf die gläserne Ablage, einen Stengel Sellerie in der Pfote.
Sybille packte ihn am Nacken und setzte ihn unsanft neben den Brotkorb.
„Heeee! Ich muss noch was für Koksi mitnehmen!“
Sie drückte ihm wortlos einen Babybel in die Arme.
„Für mich auch“, sagte Henk.
Sybille gab ihm noch einen.
„Trägst du mich die Treppe hoch?“
„Warum sollte ich das tun? Du bist runter gekommen, dann kannst du auch wieder hoch.“
„Mit vollen Pfoten  geht das ja wohl schlecht.“
„Soll ich dir den Käse abnehmen?“
„Nein!“
Sybille trug Henk die Treppe hoch, öffnete leise die Tür zum Teddy-Zimmer und suchte auf dem Bett  nach einem Platz für Henk. Der ließ währenddessen den einen Babybel auf Koksi fallen.
„Au! Oh, danke“ knurrte der kleine Eisbär und zog den Käse wie ein Kopfkissen unter sich.
Bruno setzte sich auf.
„Die Käse fliegen tief heute“, meinte er und hielt Ausschau. Dann schnupperte er verstohlen an seinem rechten Fuß. Er zog die Nase kraus. „Ich müsste tatsächlich mal wieder duschen“, sagte er leise.
„Ja, der letzte wellness-Tag ist schon ein bisschen länger her“, kommentierte Henk, der ihn  beobachtet hatte und munter seinen Käse kaute.
ba%cc%88renhunger-9„Ist das Bad offen?“
„Unten ja. Dazu musst du aber die Treppe runter. Und sie trägt dich nur hoch, wenn du irgendetwas mit beiden Pfoten festhältst.“
Bruno dankte für den Tipp mit einem Nicken und machte sich auf den Weg. Er war einen Tick kleiner als Henk und konnte so die Holzleiste an der Wange der Treppe hinunter schlittern. Er versicherte sich kurz, ob am Fuß der Treppe auch kein Wisch-Eimer stand, wie beim vorvorvorvorvorvor-letzten Mal.
So konnte er lautlos nach unten gelangen, ohne dass Sybille gleich wieder hinterher gerannt kam, um zu schauen „Was zum Henker!“ nun hier wieder los war. Er sauste durchs Erdgeschoss und stand dann vor der Badezimmertür. Der große Typ, der hier wohnte, hatte es seinerzeit in Beschlag genommen, es war also sowieso das Männer-Bad und vor allem stand hier die Wanne. Oben gab es nur eine Dusche, wenngleich es einfacher und schneller vonstatten ging, die Dusche zu fluten, um mal etwas zu schwimmen. Aber immer ging etwas aus dem hoch angebrachten Duschkopf daneben und Sybille glaubte ihnen nie, wenn sie sagten, sie hätten nur das Bad ba%cc%88renhunger-5putzen wollen.
Nun stand Bruno also vor der Badezimmertür. Sie war tatsächlich offen. Das war selten, weil es immer Schimpfe gab, wenn sie offen stand. Er zog sie hinter sich zu, weil er gleich etwas Dampf machen würde.
Schafpirat Bruno enterte die Wanne über den Umweg des Waschbecken-Schränkchens neben der Wanne. Oben angelangt wetzte er am Rand entlang, um am Wasserhahn heißes und kaltes Wasser einzustellen. Der Wasserstrahl gollerte mit hohlem Geräusch in die leere Wanne. Bruno nahm sich eine Pfote voll Flüssigseife, die gute von Sybille, die duftete immer so schön nach Blümchen. Dann sauste er am Fußende der Wanne hinunter in das riesige Becken und rannte unter den schönen, dichten, schulterbreiten Wasserstrahl. Er schäumte sich die Füße ein. Nach fünf Minuten Honig-Meditation setzte er sich hin und ließ weiter das Wasser an sich herunter strömen.
Mit einem kühlen Luftzug öffnete sich die Tür erneut.
„Wer stört?“, fragte Kapitän Bruno streng.
„Was zum Henker ist hier nun wieder los?“, stöhnte Sybille und rieb sich verschlafen die Augen.
„Henk meint, ich habe Fußgeruch“ antwortete Bruno und legte den Kopf in den Nacken um etwas zu gurgeln.
„Darauf hätte ich auch selber kommen können“, bemerkte Sybille. Sie stellte das Wasser ab und hielt den tropfnassen Bruno vor sich. Dann rubbelte sie ihn mit einem Gästehandtuch ab.
Bruno nutzte eine Gelegenheit, büxte aus, schnappte sich eine der kleinen Seifen und kniff die Augen zu. Gleich würde sie ihn hoch heben.
„Was soll das?“
ba%cc%88renhunger-8„Du musst mich jetzt nach oben tragen. Ich hab die Pfoten voll.“
„Nein. Ich weiß, dass du die Holzleiste an der Treppe hoch rennen kannst. Man erkennt es vor allem, wenn du direkt aus einer Schlammpfütze ins Haus kommst.“ Sybille drehte sich um und verließ das Bad.
„Das war Koksi!“, rief Bruno hinter ihr her.
Er ließ die Seife Seife sein und hangelte sich am Handtuch abwärts. Die Restfeuchte im Fell ließ ihn bibbern. „Ich werde mich erkälten“, sagte er besorgt. Sein Blick suchte das Bad ab. Er ging durch die Tür in den Flur, stromerte durch den Hauswirtschaftsraum und fand dort, was er suchte. Mit wohligem Knurren legte er sich den Schal um die Schultern. Dann kraxelte er die Treppe hoch, ging ins Teddy-Zimmer und legte sich zu den anderen.
Henk stupste ihn an. „Hallo, meine kleine Pfirsichblüte. Schon viel besser.“ Bruno verpasste ihm einen Tritt, aber nicht so arg doll, mehr ein wortloses „Blödmann“.

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